Kommentar

Kunst und Kultur in der Kongresshalle? Neue Nutzung für Nazi-Koloss

15.8.2021, 20:08 Uhr
Im Innenhof der Kongresshalle wäre Platz für die Interimsspielstätte der Oper.  Verwaltung, Proberäume und  Künstlerateliers könnten in der Kongresshalle unterkommen.

© imago images/imagebroker, NNZ Im Innenhof der Kongresshalle wäre Platz für die Interimsspielstätte der Oper.  Verwaltung, Proberäume und  Künstlerateliers könnten in der Kongresshalle unterkommen.

Manchmal ist es wichtig, dass in Nürnberg jemand von außen kommt und eine klare Meinung hat. Hans-Joachim Wagner, neuer Leiter der Stabsstelle Reichparteitagsgelände im Kulturreferat der Stadt, ist zwar nicht mehr ganz neu in Nürnberg, aber er ist immer noch unbelastet, was jahrzehntelange Diskussionen zum Reichsparteitagsgelände anbelangt. Wagner hat sich im Interview für eine Neubewertung der Geländes ausgesprochen und will die Kongresshalle für die Kunst- und Kreativwirtschaft zugänglich machen.

Platz für Ateliers

Übernimmt der Stadtrat im kommenden Herbst diese Bewertung, dann wäre es möglich, ein Interimsquartier für die Staatsoper in den Innenhof der Kongresshalle zusammen mit Übungs- und Verwaltungsräume in der Kongresshalle einzurichten. Es wäre auch noch genügend Raum für Künstlerateliers vorhanden. „Und was spricht dagegen, diesen Rohbau (das ist die Kongresshalle, d. Red.) einer anderen Funktion zuzuführen, als er ursprünglich gedacht und geplant war?“ Das ist natürlich nur eine rhetorische Frage Wagners.

Neu denken

Für ihn spricht nichts dagegen. Der Kulturpolitiker will die Chance, die sich mit dem Interimsquartier der Oper bietet, nutzen, den Ort noch einmal ganz anders und neu zu denken. Wagner hat die am Ende gescheiterte Kulturhauptstadtbewerbung Nürnbergs angeführt. Er kennt die Diskussion zum ehemaligen Reichsparteitagsgelände und die engen Leitlinien, wie mit dem Areal umzugehen ist. Im Grunde lassen diese Leitlinien keine Veränderung zu und deshalb sollen sie neu formuliert werden. Wagner, Kulturbürgermeisterin Julia Lehner und auch die Grünen wollen eine Transformation des Geländes mit den Mitteln der Kunst.


Neue Ideen


Keine kommerzielle Nutzung

Das betrifft nicht die Tribüne, sondern vor allem die Kongresshalle. An der pädagogischen Aufarbeitung des Geländes will keiner der Beteiligten rütteln. Auch kommerziell soll das Gelände nicht genutzt werden. Beides ist grundsätzlich richtig. Die Kongresshalle, die nie fertiggebaut wurde, in einen Ort für künstlerische Aufführungen und Darstellungen zu verwandeln, ist, wenn das Konzept stimmt, überzeugend. Der Nazi-Ballast ist dann nur noch eine bauliche Hülle und verliert seine ideologische Aura. Mit dem Probesaal der Symphoniker und dem Dokumentationszentrum gibt es vor Ort schon kulturelle Nutzungen. Es ist also kein Systembruch, wenn die Ausweichspielstätte in den Innenhof der Kongresshalle kommt. Das ganze Gelände bleibt natürlich ein Provokation.

Die Tribüne soll erhalten werden, um die Funktion des Reichsparteitagsgeländes im Rahmen der Nazi-Propaganda deutlich zu machen. Die Stadt plant auch, ein umfangreiches Bildungsprogramm aufzustellen.

Die Tribüne soll erhalten werden, um die Funktion des Reichsparteitagsgeländes im Rahmen der Nazi-Propaganda deutlich zu machen. Die Stadt plant auch, ein umfangreiches Bildungsprogramm aufzustellen. © e-arc-tmp-20171123_141352-3.jpg, NN

Noch ungeklärt sind die Kosten und wie der Freistaat sich daran beteiligt. Offen ist auch noch, welche Funktion die Interimsspielstätte nach der Sanierung des Opernhauses übernehmen soll. Die Fragen müssen schnell beantwortet werden, denn bis 2024 muss die Interimsspielstätte fertig sein. Sonst besteht die Gefahr, dass das Opernhaus wegen Baufälligkeit gesperrt werden muss und die Oper hat noch keine Ersatzspielstätte.

Ein Blick in den Rundgang der Kongresshalle.

Ein Blick in den Rundgang der Kongresshalle. © imago images/imagebroker, NNZ

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