Gefährliche Verfolgungsjagd

Mann rast im Drogenrausch auf Polizisten zu: Angeklagter schweigt vor Gericht

20.10.2021, 12:10 Uhr
Mann rast im Drogenrausch auf Polizisten zu: Angeklagter schweigt vor Gericht

© Imago Images/Action Pictures

Es war 10.30 Uhr als einer Zivilstreife am 5. Dezember 2020 in der Hilpoltsteiner Straße am Falkenhorst ein grüner Renault auf der falschen Spur entgegenkam - der Fahrer hatte eine Kurve scharf geschnitten und war dabei auf die Gegenfahrbahn geraten. Die Beamten wichen aus, wendeten und folgten dem PKW. Sie wollten den Fahrer überprüfen.

Dieser Kontrolle wollte der 36-Jährige entgehen. Er gab Gas, geriet in eine Sackgasse, hielt an, doch hoffte, sich verstecken zu können und legte sich in seinem Auto unter eine Decke. Als diese Idee misslang, und die Polizisten - die den Fahrer auch persönlich kennen - durch die Fensterscheiben blickten, setzte der Fahrer auf Flucht: Er startete erneut den Motor. Ein Beamter musste zur Seite springen, um nicht von dem Fahrzeug erfasst zu werden, heißt es in der Anklage. Es sollte nicht die einzige Beinahe-Kollision bleiben.

Fahrer stand unter Drogeneinfluss

Fast ein Jahr später sitzt der 36-Jährige vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth, Staatsanwalt Daniel Hader wirft ihm versuchten Totschlag vor. Zu Prozessbeginn lässt der 36-Jährige über seine Strafverteidiger Michael Spengler und Helmut Hecker erklären, zu den Vorwürfen zunächst einmal zu schweigen.

Heute ist bekannt: Der Autofahrer stand unter massiven Drogeneinfluss - am Abend des 5. Dezember gegen 21.27 Uhr stellten ihn Polizeikräfte des Unterstützungskommandos (USK). Er hatte sich in einer Werkstatt versteckt.

Um 23.20 Uhr gab er eine Blutprobe ab, es hatte Cannabis, Amphetamin und Methamphetamin konsumiert. In der Wohnung des Mannes stellte die Polizei später mehrere Marihuana-Pflanzen, Beutel mit einer Tabak-Marihuana-Mischung und einen LSD-Trip sicher. Er wurde dem Ermittlungsrichter vorgeführt und behauptete damals, die Polizisten seien vorher in seinen Garten eingedrungen und hätten ihn mit einer Waffe bedroht.

Polizeibeamte erlitt schweren Schock

An jenem Vormittag des 5. Dezember raste er aus der Sackgasse über einen Fußweg davon, die Polizeistreife nahm die Verfolgung auf. Nach kurzer Fahndung lokalisierten die Beamten den grünen Renault in der Erlacher Straße.

Um ihn zu stoppen, parkten die Beamten nun ihr Dienstfahrzeug quer zur Straße, am Straßenrand befindet sich eine Gabionenwand - es blieb eine Lücke von knapp drei Metern. In diese Lücke stellte sich ein Beamter, er hob die rechte Hand - ein klares Signal an den Fahrer, anzuhalten.

Doch der 36-Jährige gab weiter Gas und steuerte, das Fahrzeug halb auf dem Gehweg, auf diesen Polizisten zu. Es hatte gefroren, die Fahrbahn war eisbedeckt und spiegelglatt. Das Fahrzeug bei einem derartigen Manöver war schlicht nicht mehr beherrschbar. Auch dieser Beamte konnte sich nur mit einem Sprung zur Seite retten. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft nahm der Autofahrer "mindestens billigend in Kauf, den Polizeibeamten mit dem Fahrzeug mit tödlichen Folgen zu rammen oder zu überfahren".

Der Polizeibeamte blieb unverletzt - doch der Schock saß tief. Drei bis vier Wochen, so der Staatsanwalt, kämpfte der Mann mit Schlafstörungen. "Er ist direkt auf mich zugefahren", bestätigt der Polizist im Zeugenstand.


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Beamter fordert Schmerzensgeld

"Ich bin jetzt 43 Jahre alt und habe so etwas in einem Einsatz noch nie erlebt", so der Polizist. "Ich bin Familienvater - ich habe mir schon überlegt, was hätte passieren können. Und ich bin in der Nacht im Traum noch weggesprungen. Deshalb fordere ich Schmerzensgeld."

Es ist dem Zufall zu verdanken, dass nicht mehr passiert ist: Der Renault-Fahrer raste über den Edeka-Parkplatz. Ein Toyota-Fahrer legte, um eine Kollision zu vermeiden, eine Vollbremsung hin, und eine Kundin, sie lief gerade zu den aufgereihten Einkaufswägen, sprang zur Seite. Auch sie nahm den PKW erst im letzten Moment wahr - der Renault war mit einem Abstand von einem halben Meter an ihr vorbeigefahren.

Polizei zog ein Großaufgebot zusammen

Trotz Blaulicht und Martinshorn - die Polizeibeamten konnten den grünen Renault nicht mehr einholen. Die Polizei zog ein Großaufgebot zusammen, darunter auch Kräfte des USK sowie ein Einsatzzug aus Ansbach. Der Beschuldigte wurde in einer Werkstatt festgenommen.

Auf seiner Flucht, so die Anklagevorwürfe, beging der Mann Straftaten quer durch das Strafgesetzbuch: Die Rede ist von versuchter gefährlicher Körperverletzung, tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte, Nötigung, versuchtem Totschlag und vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr.

Urteil soll Ende Oktober ergehen

Die 5. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth kalkuliert derzeit mit fünf Verhandlungstagen, ein Urteil soll voraussichtlich Ende Oktober ergehen. Aufgrund seines Drogenkonsums hatte sich der Angeklagte wohl nicht mehr im Griff, inwieweit er sich selbst noch steuern konnte, wird in diesem Strafverfahren ein Gerichtspsychiater beurteilen.


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