TV-Serie "Faking Hitler"

Moritz Bleibtreu: "Den ganzen berühmten Betrügern hat man es zu leicht gemacht"

29.11.2021, 05:55 Uhr
Moritz Bleibtreu als der Kunstfälscher Konrad Kujau.

© RTL / Wolfgang Ennenbach, NNZ Moritz Bleibtreu als der Kunstfälscher Konrad Kujau.

Herr Bleibtreu, "Schtonk!" ist eine Ikone des deutschen Films. Hatten Sie zunächst Zweifel, ob man diese wahre Geschichte noch einmal erzählen sollte?
Moritz Bleibtreu: Sagen wir lieber: "Die auf wahren Begebenheiten beruhende Geschichte". Bei "Faking Hitler" gibt es so viel, was von Dietl überhaupt nicht durchleuchtet wurde. Es waren völlig andere Grundvoraussetzungen, unter denen damals gedreht wurde. Der Film hatte auch einen ganz anderen Ansatz. Ich glaube, das ist so, als wenn man fragen würde: "Willst du nochmal einen Western machen?"

Als Schauspieler legen Sie Kujau fremde Worte in den Mund, wie er es mit Hitler tat. Sind Sie auch ein Fälscher?
Bleibtreu: Ja, aber auf einem ganz anderen Plateau. Man muss sich nur mal vorstellen, dass Kujau tatsächlich damit durchgekommen und nicht erwischt worden wäre – es hätte zu einer Art von Geschichtsrevisionismus führen können. Man hätte unter Umständen heute in den Schulbüchern ein ganz anderes Bild von Herrn Hitler und seiner Gefolgschaft, als wir es heute haben. Mit "Faking Hitler" bewegen wir uns ganz klassisch im Rahmen eines Spielfilms. Wie der Name schon sagt: Es ist ein Spiel. Insofern würde ich es nicht als "Fälschen" betrachten, sonst könnte man ja gleich sagen, Schauspielerei wäre Lügen. Das ist sie eben nicht, denn es findet alles in einem bestimmten Rahmen statt. Und dieser Rahmen ist ein Spiel.

Der Journalist Heidemann, der Kujau auf den Leim geht, steht unter enormem Druck, einen Knüller abliefern zu müssen. Führt dieser allgegenwärtige Druck in unserer Gesellschaft nicht zwangsläufig zu Fehlleistungen?
Bleibtreu: Ja, aber das ist ja auch nichts Neues. Diese ganzen berühmten Betrüger, ob es jetzt Jürgen Schneider ist oder Jürgen Harksen damals in Hamburg, haben eines gemein. Sie haben alle gesagt: "Man hat es mir auch wahnsinnig leicht gemacht. Die Banken haben mir das Geld hinterhergeschmissen, keiner hat das nachgeprüft. Keiner hat geschaut, ob das wirklich stimmt." Das war auch bei Kujau so.

Gegenüber der heutigen Fake-News-Gesellschaft hat die Kujau-Geschichte fast schon etwas Rührendes.
Bleibtreu: Wir leben jetzt in einer Zeit, in der fast alles mit allem vernetzt ist, dadurch ist die Konsequenz eine viel größere. Damals hat man in seinem kleinen Feld etwas ausgelöst, das hat nicht gleich einen globalen Rattenschwanz hinter sich hergezogen. Aber so ist das heute. Cyber- Kriminalität betrifft dann eben nicht nur einen Einzelnen, sondern gleich Hunderttausende. Das ist ein Ergebnis der Globalisierung und das werden wir auch weiterhin fortschreiten sehen. Natürlich sind Betrug oder auch Identitätsdiebstahl riesengroße Probleme. Ich habe gelesen, dass es im Internet 80 Milliarden Personen gibt, über Bots und Fake-Identitäten. Das sind zehn Mal so viele Menschen wie in der realen Welt. Natürlich ist der Widerhall innerhalb des Internets dann ein anderer als in der echten Welt.

Warum hegen viele Menschen Sympathien für Kriminelle, die einfallsreich und raffiniert vorgehen, wie Kujau oder Dagobert?
Bleibtreu: Weil man das Ganze auf der Gier und dem Rücken von Menschen mit viel Geld austrägt. Da kommen keine Familien mit zwei Kindern zu Schaden, denen man Versicherungspapiere angedreht hat, die sich niemals entwickeln werden. Ich habe irgendwo gelesen, dass es heute noch über 50 "Kujaus" gibt, die an den Wänden von reichen Menschen hängen. Die Besitzer tun alles, um dieses Bild ja nicht zu einem Spezialisten zu bringen. Es könnte sich ja herausstellen, dass dieser Chagall eben doch ein "Kujau", also gefälscht, ist. Das ist so ein bisschen Robin Hood. Solange man es nicht den Armen wegnimmt, es auf eine gewiefte Art und Weise macht und niemand "wirklich" zu Schaden kommt, kann man das mit einem Lächeln hinnehmen. Obwohl man sich darüber klar sein muss, dass das im Grunde natürlich nicht geht.

Warum finden Hitler-Dokus auch heute noch fast täglich ihre Zuschauer?
Bleibtreu: Die Faszination Hitler, dieses "Warum, wieso, weshalb?", ist offensichtlich. Es ist sicherlich so, dass dieser Kerl für ein gebeuteltes Land wie unseres einen gewissen Reiz ausmacht, weil wir bis heute wegen ihm und seiner Gräueltaten daran zu knapsen haben, was unsere kulturelle und soziale Identität ausmacht. Wenn man weltweit sagen kann: "Sex sells", dann kann man in Deutschland sicherlich sagen: "Hitler sells". Das Thema scheint immer noch brennend zu interessieren. Und nicht nur die Deutschen.

Apropos Sex sells: Herr Kujau muss ein sehr reinlicher Mensch gewesen sein. Die Serie zeigt ihn häufig in der Badewanne. Nicht alle Nacktszenen sind dramaturgisch unvermeidbar. Fühlen Sie sich nicht sexuell ausgenutzt?
Bleibtreu: (lacht) Nein, fühle ich mich nicht. Aber danke der Nachfrage, das höre ich gerne. Wir Männer werden das selten gefragt. Nein, diese Zusammenarbeit war absolut okay. Und ich glaube auch, dass es schon einen inhaltlichen Beweggrund gibt. Nämlich vor allem den, dass Kujau einer ist, der mit Nacktheit nonchalant umgeht. Mit Scham hat er nicht so wahnsinnig viel am Hut. Deshalb gab es für mich nie einen Moment, in dem ich gesagt habe: "Das macht man jetzt einfach nur, um meinen Popo zu zeigen."

Auch wenn man die beiden Produktionen nicht vergleichen kann: Zahlreiche Stars aus "Schtonk!" sind verstorben, Helmut Dietl inklusive. Wird man Schauspieler, um ein Stück weit unsterblich zu werden?
Bleibtreu: Nein. Das stellt auch einen riesengroßen Unterschied zum Theater dar, wo du nach Beendigung der Karriere nicht auf Film weiterlebst, sondern wirklich "nur" in der Erinnerung der Zuschauer. Das ist mir irgendwann en passant aufgefallen: "Krass, eigentlich arbeiten wir hier für die Ewigkeit." Aber das war nie meine romantische Vorstellung. Es ist immer die Momentaufnahme einer Entwicklung und der jeweiligen Zeit. Sie zeigt, wie du als Schauspieler gerade drauf warst und was dich gerade bewegt hat. Aber im besten Fall, das muss ich ganz ehrlich sagen, möchte ich nicht dafür erinnert werden, was für ein Schauspieler ich war, sondern dass ich auch ein ganz netter Typ gewesen bin. Das wäre mir wichtiger. INTERVIEW: ANDRÉ WESCHE

Die Dramaserie "Faking Hitler" ist ab dem 30. November beim Streamingdienst RTL+ verfügbar.

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