Wieso die Bevölkerung trotzdem wächst

Neue Bayernstatistik vorgestellt: Todesfälle "über dem langjährigen Durchschnitt"

17.12.2021, 06:00 Uhr
Wie viele Tote hat die Corona-Pandemie in Bayern tatsächlich hervorgebracht? Das neue Statistische Jahrbuch soll Klarheit bringen.

© imago images/Michael Weber, NNZ Wie viele Tote hat die Corona-Pandemie in Bayern tatsächlich hervorgebracht? Das neue Statistische Jahrbuch soll Klarheit bringen.

105.200 Sterbefälle, aber nur 100.600 Geburten: Macht ein Defizit von 4.600. Bayerns Bevölkerung hätte zwischen Januar und Ende September 2021 also eigentlich schrumpfen müssen. Tat sie aber nicht. Wieso, hat Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in Fürth bei der Vorstellung des neuesten Statistischen Jahrbuchs erklärt.

Es ist ein über 700 Seiten starker Wälzer des Landesamtes für Statistik, mit Tabellen, Grafiken und ganz vielen Zahlen. Sie beziehen sich überwiegend auf 2020, was nicht verwundert, ist doch das laufende Jahr noch nicht zu Ende. Wegen Corona aber, so Herrmann zu Beginn der Pressekonferenz, sei das Interesse an aktuellen Informationen groß. Deshalb habe man "mit einem gewissen Risiko" (zum Beispiel sind bis Jahresende noch Nachmeldungen möglich) auch vorläufige Daten für 2021 berücksichtigt.

Eine Zahl, auf die während einer Pandemie besonders geschaut wird, ist die der Toten. Liegt sie deutlich höher als im Durchschnitt vergangener Jahre? Dann kann man von einer Übersterblichkeit sprechen, wobei es unterschiedliche Berechnungswege und weitere Fallstricke gibt.

Hohe Todeszahlen

Im vergangenen Winter starben in Bayern teils mehr als doppelt so viele Menschen wie im Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2019. Anschließend bewegt sich die Kurve mal unter, mal über dem langjährigen Mittel - bevor sie im Juni 2021 abrupt endet. Weiter reichen die Daten des Jahrbuchs nicht.

Herrmann hingegen verkündet aktuellere Zahlen, wie eben besagtes Geburtendefizit von 4.600 für die ersten neun Monate von 2021. "Dieses Defizit ist größer geworden als in früheren Jahren, eben weil die Sterbeziffern durch Corona gestiegen sind", sagt der Minister. Die Todeszahlen lägen "über dem langjährigen Durchschnitt". Immerhin gleiche Zuwanderung vor allem aus dem Ausland das Defizit mehr als aus - "deshalb kein Rückgang der Bevölkerungszahl". Ende September lebten in Bayern mit 13,18 Millionen Menschen 36.461 mehr als zu Beginn diesen Jahres.

Nicht jeder Toter ist allerdings ein Corona-Toter. Herrmann geht deshalb auch die häufigsten Todesursachen ein. Mit 3.696 Männern und 3.526 Frauen sind im vergangenen Jahr in Bayern mehr Menschen an Covid-19 verstorben, als einen Herzinfarkt hatten - aber teils deutlich weniger, als an ischämischen Herzkrankheiten insgesamt oder Demenz.

Herrmann verteidigt Corona-Kontrollen

Zum Vergleich: In 2020 hatte der Freistaat 577 Verkehrstote zu beklagen, die meisten (449) davon Männer. Angesichts dieser vergleichsweise niedrigen Zahlen verteidigt Herrmann seine Entscheidung, polizeiliche Corona-Kontrollen gegenüber der Verfolgung von Straßenverkehrsdelikten zu priorisieren.

Auch in der Wirtschaft macht sich die Pandemie bemerkbar. "Es geht auf jeden Fall wieder aufwärts", ist Herrmann angesichts eines Wachstums des bayerischen Bruttoinlandprodukts von 3,7 Prozent im ersten Halbjahr diesen Jahres überzeugt. Das sei oberhalb des Bundesdurchschnitts, kompensiere aber noch nicht den Rückgang aus 2020.

Und schließlich wäre da noch der Tourismus, "der uns gerade hier in der mittelfränkischen Region sehr wichtig ist." Herrmann weiter: "Bayern bleibt ein sehr beliebtes Reiseziel." Zahlenmäßig unterfüttert er das mit "positiven Trends", wie im Vergleich zu 2020 gestiegenen Übernachtungszahlen im Sommerhalbjahr. Blickt man allerdings auf die gesamten ersten neun Monate von 2021, ergibt sich ein Minus von 6,2 Prozent.

Tourismus: Überdurchschnittliche Städte

"Was die einzelnen Regierungsbezirke betrifft, hat Mittelfranken im Sommerhalbjahr mit 28,8 Prozent den höchsten Zuwachs bei den Gästeankünften erreicht", so der Minister. Ein noch genauerer Blick offenbart, dass insbesondere die Städteachse um Nürnberg davon profitieren konnte, während die ländlicheren Tourismusregionen tendenziell geringere Zuwächse hatten. In der oberfränkischen Fränkischen Schweiz waren es sogar nur 6,5 Prozent.

Ein "gewisses Problem" sieht Herrmann in der hohen Inflationsrate - im Oktober 2021 betrug sie 4,6 Prozent. Erfreulicher seien dagegen die im Bundesdurchschnitt wenigen Arbeitslosen, die wachsende Zahl von Elektro-, Hybrid- und Gasfahrzeugen sowie der im Vergleich zum Vorjahr anziehende Wohnungsbau.

Letzterer kann jedoch genauso wie das Bevölkerungswachstum dem erklärten Ziel des Freistaats zuwider laufen, den Flächenverbrauch zu reduzieren. Laut Herrmann stellt sich deshalb die Frage, wie das Wachstum "insgesamt und regional" gesteuert werden kann.

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