Nils Landgren feiert Bernstein

25.11.2018, 19:06 Uhr
Nils Landgren feiert Bernstein

© Foto: Ulrich Perrey/dpa

Was für einen Musiker braucht es, um einen musikalischen Alleskönner zu würdigen? Genau: Einen musikalischen Alleskönner. Wer wäre also besser geeignet, den 100. Geburtstag des Komponisten, Dirigenten, Pianisten, Lehrers und Musik-Erklärers Leonard Bernstein zu feiern als der Posaunist, Sänger, Festivalleiter und Produzent Nils Landgren?

Wobei der verbindende Punkt wohl weniger die Umtriebigkeit ist, die sowohl den 1990 verstorbenen US-Amerikaner, als auch den quicklebendigen Schweden auszeichnet, sondern eher die musikalische Grenzenlosigkeit, das Fehlen jeglichen Scheuklappendenkens, welches sowohl das Werk Bernsteins als auch das Schaffen Landgrens so vielseitig macht.

Selten bietet sich die mittlerweile gar nicht mehr so ungewöhnliche Kombination Jazzband und Symphonieorchester so zwingend an wie beim Tribute an Bernstein, diesem Pionier der amerikanischen Tonkunst, der ganz locker Broadway und Oper, Jazz, Pop, Kammermusik und Avantgarde unter einen Hut brachte.

Schwungvolle Leitung

Einen entsprechend kurzweiligen Abend bescherten Landgren mit seiner feinen Band (Bassistin und Sängerin Lisa Wulff, Pianist Martin Terens und Drummer Rasmus Kihlberg) und die Nürnberger Symphoniker unter der schwungvollen Leitung von Till Fabian Weser in der fast ausverkauften Meistersingerhalle.

Mit der moussierenden Ouvertüre zu Bernsteins Schmerzenskind, der Operette "Candide", öffnen die Symphoniker ein erstes Fenster: Forsch voran stürmende Rhythmik, auftrumpfende Bläser, virtuose Brüche und Tempowechsel, Humor, Spaß und pralle Lebenslust in viereinhalb Minuten. Mit "America", dem Trademark-Thema aus "West Side Story", betritt Landgren die Bühne und stellt sich mit schelmischer Artigkeit vor, als säße er in einem Stuhlkreis bei der Selbsthilfegruppe: "Hallo, ich bin Nils und spiele Posaune!"

Der Mann war schon immer ein begnadeter Eisbrecher und nimmt unter den zehn sympathischsten Bühnenpersönlichkeiten des Planeten locker einen der vordersten Plätze ein. Genau diese Nettigkeit zeichnet auch seine Musik aus und bringt ihm nicht selten den Vorwurf ein, er mache Jazz für Menschen, die keinen Jazz mögen.

Das Bernstein-Programm entkräftet diese These keinesfalls: "Simple Song" aus Bernsteins "Mass" zum Beispiel rückt Mr. Red Horns samtweiche Posaune in den Vordergrund, die Besen liebkosen die Felle, Bläser und Streicher malen den Hintergrund in prächtig schillernden Farben: eine mentale Hängematte allererster Güte.

Feine Schmirgelpapier-Stimme

"Something's Coming" singen Nils und die stimmstarke Bassistin Lisa im Duett und beim extrem cool swingendem "Cool" (beide aus "West Side Story") bestätigt Landgren, was wir schon wussten: Seine feine Schmirgelpapier-Stimme ist zwar limitiert, punktet aber durch jungenhaften Charme und ihre schnörkellose Aufrichtigkeit — allerdings hat sie mitunter Mühe, sich gegen das Orchester durchzusetzen. Zwischen Bernsteins Übersongs wie "Somewhere", "A Quiet Girl" oder "Maria" finden sowohl der vom Meister bewunderte Kurt Weill ("September Song") als auch Bernsteins Lehrer und Förderer Aaron Copland (das übermütig galoppierende "Hoedown") Platz.

Mit dem funky New-Orleans-Groove von Joe Samples "Same Old Story" steuert der Abend auf die Zielgerade, bevor Herr Landgren mit Weills "Speak Low" noch einmal die Herzen erwärmt, um schließlich bei einer schwedischen Volksweise unterm Spielen seine Posaune zu zerlegen. Fazit: Zwei Stunden perfektes Entertainment und ein glückliches Publikum!

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