Ohmrolle: Ein Spiegel führt zum wahren Ich

8.4.2014, 18:24 Uhr
Das kreative Team hinter dem Ohmrolle-Film "Applaus".

© Ohmrolle Das kreative Team hinter dem Ohmrolle-Film "Applaus".

Fünf Ohm-Studenten haben darauf eine Antwort gefunden: „Jedes Spiegelbild führt ein eigenständiges Leben“, sagt Paul Leyendecker. „Wie ein Schauspieler, dessen Job es ist, uns zu imitieren.“ Stefan ist ein solcher Schauspieler. Er sitzt in seiner Wohnung und wartet. Wenn das Signal ertönt, holt er einen eingeschweißten Schlafanzug aus dem Kühlschrank und einen Kaffeebecher, zieht sich um und tritt auf. Er putzt sich die Zähne, gurgelt, spuckt aus. Wenn er von der Bühne geht, landen die Requisiten in der Mülltonne. „Als Spiegelbild darf man nichts behalten“, sagt Feodora Frickert. „Man isst nicht, man schläft nicht, sondern ist allzeit bereit.“ Stefan ist gut in dem, was er tut – das Publikum applaudiert.

Machen, was niemand erwartet

„Ich mag Geschichten, in denen die echte Welt ins Surreale driftet“, sagt Leyendecker. „Jeder schaut doch morgens in den Spiegel, und manchmal ist das ein komisches Gefühl.“ Vor allem, wenn man sich nach einer langen Nacht fragt: „Kenne ich den da eigentlich?“ Paul Leyendecker, Feodora Frickert, Veronika Burganova, Jan Jungbluth und Ingo Kendzia haben diese Idee weitergedacht. Für ihren Film „Applaus“, den sie im sechsten Semester zusammen gedreht haben, dachten sie sich eine Spiegelwelt aus.

Ohmrolle: Ein Spiegel führt zum wahren Ich

„Wir haben in unserem Filmstudio einen vier mal sechs Meter großen Raum gebaut – ganz in Weiß“, erzählt Frickert. Die Mülltonne ist weiß lackiert, der Kühlschrank auch, weil er schon etwas angegilbt war. Wenn einer der 15 Helfer den Raum betreten wollte, musste er Schoner über die Schuhe ziehen, und zwischendurch wurde immer wieder gesaugt. Nur in einer Wand ist ein schwarzes Loch.

„Das schwarze Quadrat steht stellvertretend für alle Spiegel, die ein Mensch in seiner Wohnung hat, im Wohnzimmer, Flur und Bad“, sagt Leyendecker. Wenn Stefan davortritt, schlüpft er in seine Rolle, die er über die Jahre perfektioniert hat.
Seiner Spiegelbildfrau Angie legt er eine Halskette um und massiert ihr die Schultern. Putzfrau Mathilde blafft er an und droht, sie zu entlassen, wenn sie nicht ordentlich ist. Das Publikum applaudiert. Doch Stefan beginnt zu zweifeln.

Eigentlich mag er Mathilde gern. Doch sie kann ihn nur besuchen kommen, wenn sie im selben Spiegel ist wie er. Wenn er sie vor dem Spiegel entlässt, ist sie auch dahinter fort. „Viele von uns sind äußerlich festgefahren durch die Erwartungen der Gesellschaft“, sagt Leyendecker. „Stefan will sich nicht länger unterdrücken lassen.“ Sein wahres Ich bricht heraus, sein Unterbewusstsein, hinter und vor dem Spiegel. Das Publikum zögert – und fängt dann doch an zu klatschen.

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