Debüt eines Bestsellerautors
„Die stumme Patientin“ - Was ist eigentlich real in diesem Psychothriller?
09.05.2025, 11:41 Uhr
Das Besondere an einem Thriller liegt schon im Namen des Genres. Der Thrill, die Spannung, die Gefahr, in der sich die Hauptfigur befindet. Oft ist das eine unmittelbare Lebensgefahr, ausgehend vom Antagonisten der Geschichte. Anders in Alex Michaelides Psychothriller „Die stumme Patientin“. Unser Ich-Erzähler, ein Psychotherapeut, schwebt vielmehr in der Gefahr, in den Bann seiner Patientin zu verfallen. Und dabei weniger sein Leben als vielmehr sich selbst zu verlieren. Aber der Reihe nach.
„Die stumme Patientin“ - Worum geht es?
Wir erleben das Buch aus zwei Perspektiven. Die offensichtliche Sicht ist die des Ich-Erzählers Theo Faber. Er ist Psychotherapeut, hat in seiner Kindheit selbst Traumata erlebt, verursacht durch seinen gewalttätigen Vater und die alkoholsüchtige Mutter. Er ist fasziniert von einem Mordfall, der vor einigen Jahren Schlagzeilen schrieb. Alicia Berenson soll ihren Mann Gabriel ermordet haben. Sie wurde neben seiner Leiche gefunden und konnte trotz der Schnitte an ihren Handgelenken gerettet werden. Allerdings hat sie seit diesem Vorfall kein einziges Wort gesprochen, nicht, als man sie auffand, nicht während der Verhandlung und auch Jahre später nicht.
Dieses Verhalten brachte ihr zum einen die Verurteilung wegen Mordes an ihrem Mann ein sowie die Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung namens Grove. Theo ist so fasziniert von dem Fall, dass er seine alte Stelle aufgibt und einen Job im Grove annimmt, um mit Alicia zu arbeiten.
Die zweite Perspektive ist die von Alicia. Ihre Sicht sehen wir um einige Jahre versetzt in Form ihrer Tagebucheinträge aus den Wochen vor dem Mord an ihrem Mann. Darin tauchen einige andere Figuren auf, denen wir auch in Theos Erzählung begegnen, allerdings machen sie einen deutlich anderen Eindruck. Gabriels Adoptivbruder Max, Alicias Cousin Paul und ihr Galerist Jean-Felix kommen in ihren Erzählungen nicht gut weg. Man stellt sich schnell die Frage, ob hinter dem Mord an Gabriel nicht etwas oder jemand anderes steckt.
Theo kämpft unterdessen auch mit privaten Problemen. Er hat wieder angefangen, Marihuana zu rauchen, was seiner Frau gar nicht gefällt, die Kiffer verabscheut. Zufällig findet er auf ihrem Laptop E-Mails, die sie mit einem vermeintlichen Liebhaber ausgetauscht hat. Dennoch will er die Beziehung nicht aufgeben, er ist zu sehr von ihr abhängig.
Wohin wird uns die Geschichte bringen? Wie kann sich Theo entwickeln? Was hat es mit der Affäre seiner Frau auf sich? Kann Theo zu Alicia durchdringen, die noch immer kein Wort von sich gibt? Was hat es mit dem Mord an ihrem Mann auf sich? Ist sie doch nicht die Schuldige?
Schleppend und spannend zugleich: „Die stumme Patientin“ von Alex Michaelides
Dieser intelligent geschriebene Psychothriller zieht uns beim Lesen in seinen Bann und vermittelt die lethargische Stimmung. Die Handlung ist keineswegs rasant, doch das trägt hervorragend zum Stimmungsaufbau bei. Wir fragen uns immer wieder, wer hier eigentlich Patient ist, denn Theo selbst ist derartig labil, dass wir ihm wenig zutrauen. Das trifft zumindest auf sein Privatleben zu. Im Umgang mit seiner Patientin ist er kompetent und durchsetzungsfähig gegenüber seinen Kolleginnen und Kollegen. Doch immer wieder teasert er das herannahende Unglück an, auf das er zu zurennen scheint.
Das wirklich Faszinierende an „Die stumme Patientin“ ist, dass beide Erzählperspektiven absolut unzuverlässig sind. Beim Lesen müssen wir uns immer wieder fragen, was gerade der Realität der Geschichte entspricht und was der Wahrnehmung der Figuren entspringt. Als Theo die E-Mails seiner Frau findet, ist er so stoned, dass er sich selbst im Nachhinein nicht mehr sicher ist, ob seine Befürchtung wirklich real ist. Wenn Alicia wirklich so psychotisch ist, dass sie ihren eigenen Mann erschossen hat, können wir ihrer Einschätzung in ihrem Tagebuch auch nicht trauen.
„Die stumme Patientin“ ist ein absolut faszinierender Psychothriller, der einen unaufhaltsam in seinen Bann zieht. Nehmen Sie sich Zeit, wenn Sie dieses Buch zur Hand nehmen, denn Sie werden es nur schwer wieder weglegen können – als Buch und Kindle-Book bei Amazon erhältlich.
„Die stumme Patientin“
von Alex Michaelides
- 384 Seiten
- Droemer TB
- ISBN: 978-3-426-30690-1
- 12,99 Euro
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