Clubhouse-Hype: Weshalb elitäre Exklusivität der Gesellschaft schadet

23.1.2021, 17:50 Uhr
Nicht jeder kann die App nutzen: Derzeit ist sie nur für iPhone-Nutzer verfügbar.

© Arnulf Hettrich via www.imago-images.de, imago images/Arnulf Hettrich Nicht jeder kann die App nutzen: Derzeit ist sie nur für iPhone-Nutzer verfügbar.

Ich bin keine Social-Media-Gegnerin. Ich kann auch nicht sagen, was auf der neuen Plattform Clubhouse passiert, denn ich bin nicht dabei. Aber es macht mir Angst, wie sich die App auf die Gesellschaft auswirkt. Warum ist Exklusivität auf einmal wieder erstrebenswert, liebe Influencer, TV-Stars, Politiker und Journalisten? Wieso nehmt ihr in Kauf, den Kontakt zu den Menschen zu verlieren, die euch groß gemacht haben?

Wer darf mit in den Club?

Seit vergangener Woche ist die Audio-App Clubhouse auch in Deutschland am Start. Die Funktion der Social-Media-Plattform unterscheidet sich zu Facebook und Co., denn man kann sein Gegenüber nur hören. Außerdem ist die Plattform nur auf Einladung und für iPhone-Nutzer verfügbar. Es kann also nicht jeder in den Club. Wer drin ist, darf zwei weitere Leute einladen. Damit sollen angeblich Serverprobleme verhindert werden. Gerade diese Exklusivität ist allerdings kritisch zu betrachten.

Die Nutzer sind die Türsteher

Die Idee der App ist ähnlich wie in einer Diskothek: Viele verschiedene Menschen kommen zusammen, weil sie eines gemeinsam haben: ihren Musikgeschmack. Auf Clubhouse ist es die Vorliebe für ein Thema. Und damit bleibt man unter sich, wie in der Disko. Denn: Der Metaller mit langen Haaren und Band-Shirt wird nicht auf der Elektroparty tanzen.

Davor hält der Türsteher ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit ab. Bei Clubhouse übernehmen die Nutzer selbst die Türsteherfunktion, indem sie einladen. Aber viele werden wohl nur die Leute einladen, die ihrer Meinung in die App passen und sie nicht blamieren. Nicht, dass es heißt: Wer hat den denn mitgebracht? Da ist nur wenig Platz für Diversität.

Wer gestaltet die Party?

Doch wer sind aktuell die Türsteher? Vergangene Woche konnte ich auf Instagram in vielen Storys verfolgen, wer alles im neuen "Club" ist. Da ist die Influencerin, mit der ich studiert habe. Die Journalistin, die ich durch ein Praktikum kenne. Und wie mich Twitter belehrt, auch die CSU-Politikerin Dorothee Bär (CSU). Niemand aus meiner alten Realschulklasse, keiner aus meiner Familie und keiner in meinem Freundeskreis - scheinbar sind wir nicht exklusiv genug. Das passende Endgerät würde den meisten wohl sowieso fehlen.


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Keine Privilegien bitte

Ist Exklusivität nicht etwas, dass wir abschaffen wollten. In der Politik beispielsweise, ich erinnere nur an die Französische Revolution 1789. Das Volk wollte mitreden, unabhängig von ihrem Stand und dem Verwandtschaftsgrad zum Herrscher. Ich finde es deshalb sehr beunruhigend, dass Politiker Clubhouse für ihre Zwecke nutzen. Bestes und vermutlich überraschendes Beispiel: die CSU. Auf Twitter hat mich ein Post des Generalsekretärs Markus Blume erreicht.

Darin lud er dazu ein, mit ihm, Digitalministerin Bär und EU-Minister Christian Doleschal (CSU) bei einer Clubhouse-Veranstaltung über das Thema Corona zu reden. Mich hat es noch nicht einmal so sehr gestört, dass hier über ein Thema gesprochen wurde, dass die gesamte Nation betrifft. Und das von Vertretern eine Partei, die derzeit maßgebliche Entscheidungen zu der Krise trifft. Mehr gestört hat mich der Hashtag, den er verwendet hat: "annewillwarvorgestern". Gemeint hatte er damit den sonntäglichen Polit-Talk in der ARD, in dem regelmäßig Politiker in die Mangel genommen werden. Dabei kann jeder zusehen, finanziert wird sie von der Allgemeinheit für alle.

Liebe Politiker, keiner mag Kritik. Aber ist es nicht die Bevölkerung, die euch wählt und die ihr mit eurer Politik erreichen wollt? Per Clubhouse erreicht ihr mich nicht. Und das könnt weder ihr (es sei denn, ihr habt noch Einladungen übrig), noch ich ändern.

Journalisten unter sich

Besonders kritisch betrachten sollten auch Journalisten ihre Nutzung der App. Für einen Austausch unter Kollegen ist Clubhouse derzeit bestimmt hilfreich. Aber wir sollten nicht vergessen, dass wir Journalismus für alle machen. Wir verbringen immer mehr Zeit und Geld auf, um zu verstehen, was unserer Leser interessiert und wie wir sie erreichen können. Wir optimieren Artikel, damit sie leicht auf Google gefunden werden und versuchen in den Sozialen Medien einen direkten Austausch möglich zu machen. Und das alles in der Hoffnung, den Leser wieder näher an uns heran zu holen. Den Austausch mit ihnen sollten wir daher nicht auf eine Plattform verlegen, deren Zutritt kaum in unserer Hand liegt.


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Ungewünschte Gäste

Eine weitere Gefahr, wenn man keinen professionellen Türsteher engagiert, ist außerdem, dass ungewünschte Gäste auftauchen. So passiert am Mittwoch: Eine Influencerin, die dem rechten Spektrum zugeordnet wird, hatte Zugang zu einem Gespräch, an dem sich auch Journalisten beteiligten. Das sorgte auf Twitter für heftige Kritik.

Ein Teilnehmerin hatte durch ein Foto offen gelegt, wer genau an dem Talk beteiligt war. Dafür erntete sie harsche Kritik von Journalisten-Kollegen. Natürlich will ich keinem Kollegen unterstellen, unkritisch gegenüber den Aussagen der Influencerin gewesen zu sein. Aber ich kenne bisher nur eure Sicht des Gesprächs von Twitter. Die Follower kennen wahrscheinlich nur ihre. Wer kennt beide? Und wer soll bestimmen, wer rein darf und wer nicht. Bei vielen Türstehern wird das sehr schwierig. Vielleicht sollte jemand Regeln aufstellen?

Vergesst nicht die Stillen

Die App ist natürlich eine absolute Pandemie-Erscheinung. Sie findet bei den Leuten Anklang, für die es sonst auch zum Alltag gehört, an großen Gesprächsrunden beteiligt zu sein. Und bei den Menschen, die gerne laut sind, um sich mitzuteilen. Aber jeder Vortrag hat im Publikum nur eine Handvoll Menschen, die sich zu Wort melden. Ein Großteil hört einfach nur zu und bildet sich seine Meinung im Stillen. Vergesst sie nicht! Und natürlich ist interner Austausch wichtig und derzeit bedingt möglich. Aber es geht. Macht die Exklusivität, die euch Clubhouse bis jetzt garantiert, doch nicht zu einem Statussymbol.

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