Trockenheit

Glasscherben: Können sie tatsächlich einen Waldbrand auslösen?

Stefan Besner

Online-Redaktion

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27.6.2022, 06:51 Uhr
Behörden warnen davor, Feuer in Waldnähe zu schüren, glimmende Kippen wegzuwerfen oder Glasflaschen liegen zu lassen.

© Patrick Pleul, dpa Behörden warnen davor, Feuer in Waldnähe zu schüren, glimmende Kippen wegzuwerfen oder Glasflaschen liegen zu lassen.

Rekordtemperaturen um die 39 Grad – im Juni, Trockenheit und Dürre. Die Waldbrandgefahr ist hoch. Bilder von Feuersbrünsten gingen bereits durch die Medien, nicht aus Kalifornien, sondern aus Treuenbrietzen in Brandenburg.

Behörden warnen

Behörden warnen davor, Feuer in Waldnähe zu schüren, glimmende Kippen wegzuwerfen und Glasflaschen liegen zu lassen. Die, so hört man immer wieder, könnten wie eine Lupe funktionieren, Sonnenlicht fokussieren und dadurch ein Feuer verursachen. Dass man aus mannigfachen Gründen, die von Umwelt- über Tierschutz bis substanziellen Anstand reichen, seinen Müll nicht im Wald, liegen lassen sollte, muss an dieser Stelle nicht weiter erörtert und dennoch erwähnt werden. In einer Mitteilung der Polizei Paderborn hieß es:

"Häufig entstehen Waldbrände durch Fahrlässigkeit oder Unwissenheit von Menschen: Eine achtlos (auch aus dem Auto!) weggeworfene Zigarette kann durchaus den trockenen Waldboden entzünden. Zurück gelassenes Glas oder Scherben wirken wie Brennlupen, das Grillen außerhalb der vorgesehenen Plätze kann schnell nicht mehr kontrolliert werden, weil fliegende Funken die Umgebung in Brand setzen."

Waldbrände durch zerbrochenes Glas?

Die meisten werden irgendwann in ihrem Leben schon einmal mit einer Lupe ein bisschen herumgekokelt haben. Das Prinzip ist recht simpel. Man bündelt Sonnenstrahlen auf einen Punkt. Wenn die Brennweite und der Winkel passen, wird’s heiß – derart heiß, dass man problemlos Papier oder trockene Blätter in Brand stecken kann. So weit, so einleuchtend. Nun ist aber eine gewöhnliche Glasflasche oder -scherbe kein Brennglas. Kann zerbrochenes Glas unter bestimmten Umständen dennoch brandgefährlich sein?

Probe aufs Exempel – Feuer durch Glasscherben?

Bei einem Feldversuch unter Mitwirkung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) und der TU Braunschweig brachten Forscher an insgesamt 21 Tagen Ende April und Ende Juli 2006 bei Temperaturen von gut 35 Grad Glasscherben über einer Streuschale an, die mit trockenen Nadeln, Gras und Kraut gefüllt war. Die Scherben waren auf Stativen im idealen Winkel positioniert. "Die Versuche wurden unter optimalen Bedingungen durchgeführt, wie man sie in der Natur typischerweise so gut wie nie antreffen würde.", beschrieben die Forscher ihr Experiment gegenüber dem BR. Feuer? Fehlanzeige. Nicht der kleinste Funke entstand.

Was kann einen Waldbrand verursachen?

Mehr als 90 Prozent aller Waldbrände sind menschengemacht. Weggeworfene Kippen, Funkenflug beim Grillen oder Lagerfeuer, heiß gelaufene Landwirtschaftsmaschinen und Brandstiftung sind die häufigsten Ursachen. Nach den Menschen die zweithäufigsten Brandverursacher sind Blitze mit gerade mal 1-3 Prozent.

Experten klären auf: Waldbrand durch Glasscherben – eine Mär

Der Forstwissenschaftler Alexander Held, der am European Forest Institute (EFI) zu natürlichen und menschengemachten Vegetationsbränden und deren ökologischen wie gesellschaftlichen Auswirkungen forscht, hat eine klare Antwort auf die Frage, ob Glasscherben tatsächlich eine Ursache für Waldbrände sein können: "Das ist fast unmöglich, mit einer Glasscherbe ein Feuer zu starten, sie müssten dann schon eine Lupe haben oder so eine Art Brennglas und dann kann man natürlich Feuer entfachen. Aber mit einer Glasscherbe ist das de facto unmöglich." Auch Feuerökologe Johann Georg Goldammer vom Freiburger Zentrum für globale Feuerüberwachung des Max-Planck-Instituts (MPI) für Chemie beschäftigt sich mit Erforschung von natürlichen und menschengemachten Vegetationsbränden und schließt sich dieser Einschätzung an. Gegenüber dem BR weist er allerdings darauf hin, dass in Deutschland nach Waldbränden meist keine forensischen Untersuchungen durchgeführt würden wie z. B. in den USA. Aber auch dort könne er sich nicht erinnern, "dass tatsächlich bewiesen oder nachgewiesen wurde, dass ein Brand durch eine Glasscherbe entstanden ist." Held und Goldammer bezeichnen die Glasscherben-Theorie als eine reine "Mär".

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