Unterfranken stark betroffen

Klimawandel bereitet zunehmend Sorgen: Wird das Trinkwasser bald knapp?

30.6.2021, 07:50 Uhr
Gras wächst zwischen den Rissen eines ausgetrockneten Ackerbodens in Unterfranken. 

© Karl-Josef Hildenbrand, dpa Gras wächst zwischen den Rissen eines ausgetrockneten Ackerbodens in Unterfranken. 

Fast vierzig Jahre lang ist an einem Steilhang des Weinguts Neder im unterfränkischen Ramsthal Müller-Thurgau angebaut worden - bis 2019. In den vergangenen Jahren hätten sich hier durch lange Trockenphasen und darauffolgenden Starkregen Erosionsschäden gehäuft, sagt Winzer Ewald Neder. Der Hang wurde terrassiert, nun haben die Neders etwa 5100 Stöcke Silvaner und Grauburgunder dort stehen: Diese Sorten vertragen Trockenperioden und Spätfrost deutlich besser.

Ewald Neder ist nicht der einzige Winzer, der dieses Jahr seine Rebanlage umstellte, sagt Michael Bock vom Fränkischen Weinbauverband. "Der Umbau der Rebsorten wegen des Klimawandels hat in Franken bereits begonnen", sagt er. Der in Franken typische Silvaner gehöre zu den Klimagewinnlern und werde vermehrt angebaut.

Die Trockenheit macht auch anderen Regionen in Deutschland zu schaffen. Brandenburg ist reich an Gewässern, die Kohleregion Lausitz voller Tagebauseen, die geflutet sind oder gefüllt werden - allerdings gehört das Bundesland zu den niederschlagsärmsten Regionen Deutschlands. Das führt rasch zu Trockenheit und Niedrigwasser in den Flüssen. In Nordrhein-Westfalen haben die drei vergleichsweise trockenen Jahre 2018 bis 2020 dem Grundwasser zugesetzt. An rund 70 Prozent der Messstellen lägen die Messwerte derzeit unterhalb der langjährigen Mittelwerte, an rund einem Drittel sei der Unterschied sogar "deutlich", berichtet Roland Funke, Leiter des Fachbereich Hydrologie im Landesumweltamt. Auch in Niedersachsen gibt es Ernteausfälle, Probleme bei der Wasserversorgung, extrem tiefe Wasserstände bis hin zum Trockenfallen in den Wäldern und das Absterben ganzer Baumarten.

Rund 65 Prozent der Deutschen fühlen sich nicht betroffen von der Wasserknappheit, wie eine repräsentative Meinungsumfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) ergeben hat. "Wir werden nicht nur mit Technologien letztlich die Situation der Wasserhaushalte in Zukunft beeinflussen können, sondern es hat auch immer etwas mit Haltungen und persönlichem Verhalten zu tun", schätzt Michael Astor vom Zukunftsbüro des BMBF die Lage ein.

In Bayern ist vor allem der Norden betroffen, besonders trocken ist es in Unterfranken. Teils fallen jährlich nur um die 500 Millimeter Niederschläge - in Südbayern in Richtung Alpen ist es gebietsweise mehr als doppelt so viel. Und das bereitet nicht nur den Winzern Probleme: Auch wenn die Wasserversorgung im Jahr 2021 noch vergleichsweise gut sei, hätten vor allem die Wälder in Franken mit der zunehmenden Trockenheit der vergangenen Jahre zu kämpfen, heißt es aus dem bayerischen Agrarministerium. Die Waldbrandgefahr nehme zu: Regelmäßig sind Luftbeobachter in Flugzeugen unterwegs, um mögliche Brände von oben zu überwachen. Auch die Natur verändert sich: Die allergieauslösende Ambrosia, die gut mit Trockenheit zurechtkommt, breitet sich nach Angaben des bayerischen Gesundheitsministeriums in Bayern aus.

Trockenstress könne außerdem über alle landwirtschaftlichen Kulturen hinweg reduzierte Erträge und geringere Qualität verursachen, teilte das Agrarministerium mit. In Einzelfällen seien Totalausfälle möglich, oft ist Bewässerung nötig. Die speist sich in Bayern aber meist aus dem Grundwasser. Das Problem: "Wir sind auf dem besten Weg in einen Grundwassernotstand!", wie der bayerische Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) im vergangenen Oktober feststellte.

Dass Wasser für Haushalte, Energieversorgung und Industrie vor allem aus dem Grundwasser kommt, ist an vielen Orten Deutschlands der Fall. Wie angespannt ist die Wasserversorgung wirklich? Laut einer Umfrage des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches e. V. (DVGW) unter etwa 200 Wasserversorgern sehen 93 Prozent der Unternehmen für 2021 und die Folgejahre keine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit. Allerdings ist bei der Hälfte der Wasserversorger bereits der Grundwasserspiegel gesunken, weil mehr Wasser entnommen wird als nachkommt, berichtet Verbandsvorstand Wolf Merkel. 20 bis 30 Prozent der Versorger hätten eine über 90-prozentige Auslastung der verfügbaren Wasserressourcen - das heißt, die Unternehmen kommen an die Grenze der ihnen zugesicherten Menge Wasser, die sie entnehmen dürfen.

Zur Vorbeugung von Wasserknappheit in manchen Regionen will das Bundesumweltministerium das Wassermanagement bis 2030 deutlich verbessern. Dafür sollen etwa eine bessere Datenlage sowie der Ausbau von Versorgungsnetzen zwischen Regionen mit unterschiedlicher Wasserverfügbarkeit sorgen. Auch die besonders betroffenen Bundesländer haben die Wasserknappheit längst auf ihrer Agenda.

Der Freistaat etwa fördert verschiedene Bewässerungskonzepte. Ein Beispiel: Im unterfränkischen Landkreis Kitzingen soll für die Bewässerung von Weinbergen Wasser aus dem Main entnommen werden - und zwar in der Jahreshälfte, in der dieser viel Wasser führt. Das Wasser soll dann per Leitung in einen 7,2 Kilometer entfernten Speichersee kommen. Kostenpunkt: rund 17 Millionen Euro. Auch im rund 30 Kilometer entfernten Oberschwarzach soll ein Speichersee Wasser für die Weinberge bereithalten. Hier soll das Wasser aus Niederschlägen oder kleinen Bächen kommen. Der Bund Naturschutz mahnt, Wasserentnahmen müssten gut durchdacht sein, Flüsse und Bäche litten schon jetzt unter drastischen Umweltveränderungen.

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