Rassismus-Debatte: Fliegen die Heiligen Drei Könige aus der Krippe?

7.10.2020, 16:15 Uhr
Rassismus-Debatte: Fliegen die Heiligen Drei Könige aus der Krippe?

© Sebastian Gollnow/dpa

Wulstige Lippen, übergewichtig, gewaltige Ohrringe und ein dicker Goldreif am Fuß - die vor etwa hundert Jahren von dem Bildhauer Martin Scheible geschaffene Figur des Melchior folgt nach Ansicht des Ulmer Dekans Ernst-Wilhelm Gohl überholten Stereotypen. Aufgrund der Rassismus-Debatte sei der Kirchengemeinderat zu der Überzeugung gelangt, diese Krippenfiguren nicht mehr zu zeigen und die Krippe nach der Weihnachtsgeschichte des Lukas-Evangeliums zu präsentieren - also ohne die drei Weisen aus dem Morgenland.


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"Es geht uns nicht um den schwarzen König, es geht uns um die Art und Weise der Darstellung. Melchior ist mit einer Fratze und in einer grotesken Körperhaltung dargestellt", sagte Gohl im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen. Ein Mohrenkind diene auch noch als Schleppenträger eines weißen Königs. Und ein weiteres Bild zeige auch noch einen schwarzen Jungen, der auf einem Esel reitet und von einem Affen etwas eingeflüstert bekommt.

"Die Überzeichnung muss eine Grenze haben"

Dem Ulmer Dekan sei natürlich bekannt, dass die Figuren expressionistisch dargestellt seien. "Aber die Überzeichnung der Figuren muss dann eine Grenze haben, wenn sich Menschen diskriminiert fühlen." Gohl nennt zum Beispiel die aus Kamerun stammende Gospelsängerin Siyou Isabelle Ngnoubamdjum. Sie habe die Figur als "rassistisch und in keiner Weise wertschätzend" empfunden. Eine endgültige Entscheidung zum Umgang mit der Figur des Melchior will die Gemeinde "in aller Ruhe" im neuen Jahr treffen.

Auch im Erzbistum München und Freising wird diese Thematik diskutiert, "konkrete Maßnahmen sind uns aber nicht bekannt", sagte eine Sprecherin. Im Erzbistum Bamberg ist dagegen "von solchen Debatten nichts bekannt". "Bekanntermaßen stehen die Heiligen Drei Könige stellvertretend für die drei zur Zeit Jesu bekannten Kontinente", sagte ein Sprecher. "Dass einer von ihnen also schwarze Hautfarbe hat, ist ein Zeichen dafür, dass der christliche Glaube weltumfassend ist und dass Gott alle Menschen, egal welche Herkunft oder Hautfarbe sie haben, einlädt. Der schwarze König steht deshalb eher für Toleranz und nicht für Rassismus."


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Viele Historiker deuten die Anfänge der Darstellung eines dunkelhäutigen Königs in der christlichen Bildsprache und in der europäischen Kunst als Zeichen der Aufgeschlossenheit für Afrika. Erst ab Ende des 14. Jahrhunderts, so der französische Mittelalterhistoriker Michel Pastoureau in seinem Buch "Schwarz. Geschichte einer Farbe", finde sich auf Wappen und Bildern ein schwarzhäutiger König: "Seine Darstellung bezeugt eine neue Einstellung zu Afrika und zur Farbe Schwarz."

Streit um den "Zwarten Piet" in den Niederlanden

Mittlerweile gilt das sogenannte "Blackfacing" als Angriff auf die Menschenwürde. Seit Jahren spaltet zum Beispiel der "Zwarte Piet" (Schwarze Peter) die Niederländer. Aufgeregt diskutiert das Land über die Hautfarbe des Nikolaushelfers, der in der Regel schwarz geschminkt ist, die Lippen rot angemalt hat und Ohrringe trägt. Auch in Deutschland gab es bisweilen Proteste, weil katholische Sternsinger, als Heilige Drei Könige verkleidet, zur Weihnachtszeit mit einem schwarz geschminkten König von Haus zu Haus zogen. In manchen Gemeinden wird aufs Schminken mittlerweile ganz verzichtet.

Darüber hinaus ist bis heute nicht genau geklärt, welche Hautfarben die Heiligen Drei Könige tatsächlich hatten. Der Name Caspar ist persischer Herkunft und bedeutet so viel wie Schatzmeister, der Name Melchior ist hebräischen Ursprungs und kann mit "König des Lichts" umschrieben werden, während der Name Balthasar auf einen babylonisch-hebräischen Ursprung schließen lässt. Rückschlüsse auf die jeweiligen Ethnien der im Matthäus-Evangelium auch als Sterndeuter charaktisierten Figuren lassen die unterschiedlichen historischen Quellen nicht zu.

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