Schwere Entzündungen: Führt Corona bei Kindern zum Kawasaki-Syndrom?

15.5.2020, 17:56 Uhr
Die Kinder mit schweren Covid-19 Erkrankungen leiden unter anderem an hohem Fieber.

© Valery Sharifulin via www.imago-images.de, NN Die Kinder mit schweren Covid-19 Erkrankungen leiden unter anderem an hohem Fieber.

Aus Großbritannien, Italien und anderen Ländern erreichen uns Berichte von Kindern, die teils schwer an einer neuartigen Entzündungskrankheit im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion leiden: Fieber, Bauchschmerzen, Hautausschlag bis hin zu akuter Lebensgefahr durch einen Schock.

Das Kawasaki-Syndrom ruft eine Entzündung der mittelgroßen Blutgefäße hervor und kann zu Organschäden führen. Typische Anzeichen sind hohes Fieber, Hautausschlag, gerötete Augen und eine Entzündung des Mund- und Rachenraums. In Verbindung mit Covid-19 ähneln die Beschwerden also dem Kawasaki-Syndrom, sind aber häufig auch untypisch.

Chefarzt Prof. Dr. Michael Schroth leitet seit 2012 die Neonatologie und Kinderintensivmedizin an der Cnopfschen Kinderklinik.

Chefarzt Prof. Dr. Michael Schroth leitet seit 2012 die Neonatologie und Kinderintensivmedizin an der Cnopfschen Kinderklinik. © Günter Distler

Durch was das Syndrom generell ausgelöst wird, ist nicht ganz klar. Es führt zu einer Überreaktion des Immunsystems, ausgelöst durch Erreger wie etwa Adeno- oder Influenzaviren, wie Prof. Dr. Michael Schroth, Chefarzt der Pädiatrie und Neonatologie in der Cnopfschen Kinderklinik in Nürnberg weiß. "Wahrscheinlich werden da auch Coronaviren eine Rolle spielen. Das wäre nicht außergewöhnlich. Aber es wäre jetzt ganz trügerisch und gefährlich, zu schreiben, Corona bedroht Kinder durch ein Kawasaki-Syndrom. Das kann ich so nicht unterschreiben", sagt er weiter.

Kawasaki-Syndrom: Ursache oder zeitgleiches Auftreten?

Schroth bestätigt zwar, dass es einzelne Fallberichte von schwerkranken Kindern etwa aus Großbritannien gibt, die Corona-positiv waren und etwas wie das Kawasaki-Symptom aufwiesen. Nur ob Covid-19 letztlich die auslösende Ursache war oder die Erkrankungen nur zeitgleich auftraten, könne im Moment nicht bewiesen werden. Laut der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) gibt es seit Ende April gehäuft Berichte von Kindern mit schweren Entzündungsreaktionen aus besonders betroffenen Ländern wie Spanien, Italien und England.

"Der zeitliche Zusammenhang mit der aktuellen Corona-Pandemie, örtliche Häufungen in einigen Kliniken, aber auch ein positiver Virusnachweis bei einigen dieser Kinder ist auffällig, lässt allerdings derzeit keine direkte Kausalität zu", schreibt auch die DGPI in einer Stellungnahme aufgrund der allgemein erhöhte Aufmerksamkeit für schwer verlaufende Krankheitsbilder im Kindesalter. In der Regel verläuft eine Covid-19 Erkrankung aber mild bei Kindern - dies gilt weiterhin.

Um Erkenntnisse über den Krankheitsverlauf einer Corona-Infektion bei Kindern und Jugendlichen zu gewinnen, hat die DGPI mit Unterstützung weiterer pädiatrischer Fachgesellschaften eine Erhebung am 18. März gestartet. Die rund 350 Kinderkliniken in Deutschland können ihre Corona-Fälle der DGPI melden. Aktuell machen 74 Kliniken mit, wodurch bisher 137 Fälle erfasst werden konnten. Knapp 15 Prozent (20 Kinder) davon wurden auf der Intensivstation behandelt, insgesamt konnten schon 89 Prozent die Krankenhäuser wieder verlassen.

In Deutschland gibt es bisher keine Häufungen von schweren Krankheitsfällen bei Kindern. Lediglich zwei Kinder wiesen parallel zu Covid-19 ein Kawasaki-Syndrom auf, heißt es in der Stellungnahme. Aufgrund der Häufungen in den anderen Ländern müsse die Lage besonders beobachtet werden, doch die absoluten Fallzahlen solcher Fälle seien in Europa sehr gering und sollen zu keiner generellen Sorge bei Eltern führen. In Deutschland starben bisher erst drei Personen unter 20 Jahren an dem Coronavirus; das Durchschnittsalter der Verstorbenen liegt bei 81 Jahren (beides Stand 14. Mai), meldet das Robert-Koch-Institut. Insgesamt sind es 7824 Todesfälle ( Stand 15. Mai).

"Keine nennenswerten Fälle" in der Region

"Mir ist wichtig, dass man Eltern beruhigt", sagt Michael Schroth. Die Cnopfsche Kinderklinik hatte bisher fünf Patienten mit Verdacht auf Covid-19; alle waren negativ. "Wir haben hier keine nennenswerten Fälle", so der Chefarzt weiter. Dabei schließt er die drei weiteren Kinderkliniken der Region in Fürth, Nürnberg Süd und Erlangen ein. Er sei mit den Chefärzten dort sehr gut vernetzt. Seit dem Ausbruch der Pandemie hatten sie in den vier Kliniken keine fünf Coronafälle bei Kindern und keines davon war auf der Intensivstation oder musste beatmet werden.

Deutschlandweit gebe es zwar durchaus Kinder - aber in einer äußerst geringen Zahl -, die zusammen mit einem positiven Corona-Befund auf der Intensivstation waren. "Das sind aber allesamt Kinder, die schwere Grunderkrankungen haben, etwa schwere Herzfehler oder Immundefekte, die wahrscheinlich die wesentliche Rolle spielt", sagt Schroth.

Natürlich können Kinder auch das Virus in sich tragen, ohne dass es jemand weiß, und es weitergeben. Das dürfe man nicht vergessen. Deshalb plädiert Schroth dafür, weiter die Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten, um Hochrisikopatienten - wie ältere Menschen - zu schützen.


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