Star im All: Weltraumteleskop Hubble änderte Blick auf die Welt

24.4.2020, 10:35 Uhr
Vom Space Shuttle Discovery hatten Astronauten 1997 diesen Blick auf das Weltraumteleskop Hubble 600 Kilometer über der Erde.

© NASA Vom Space Shuttle Discovery hatten Astronauten 1997 diesen Blick auf das Weltraumteleskop Hubble 600 Kilometer über der Erde.

Astronomen gelten bis in die 1980er Jahre als Nerds mit Kassengestell-Brillen, Vollbart und karierten Hemden in zu weiten Hosen. Sie gucken mit zugekniffenen Augen in die Okulare ihrer Teleskope oder beugen sich über gefleckte Schwarzweiß-Fotos. Dem Fach fehlt das Zeug zum Glamour. Bis das Weltraumteleskop Hubble die farbenprächtigsten Bilder aus den tiefsten Tiefen des Alls zur Erde funkt, von begeisterten Fachleuten stolz auf Pressekonferenzen präsentiert.

Hubbles Bilder, auf denen sich im luftleeren Raum zwei Glühwürmchen noch in 16.000 Kilometern Entfernung auseinanderhalten ließen, lassen uns vor Ehrfurcht innehalten. Wir erkennen auf ihnen unsere Bedeutungslosigkeit angesichts der Weite des Universums und der unvorstellbaren Gesetze, die in ihm wirken. Die Fotos beweisen sonderbare Theorien, decken Ungeahntes auf und sind auf CD-Covern, Buchtiteln, Postern oder T-Shirts Teil der Popkultur.

Auf einem Bild spuckt ein Nebel von einem Lichtjahr Länge aus feinen Tentakeln junge, blau leuchtende Sonnen aus, auf einem anderen wabert ein Nebel um einen sterbenden Stern aus Staub und Gas, dann stürzen Galaxien in andere hinein, während sich Spiralgalaxien um mehrere Milliarden Sonnen schwere Schwarzes Löcher drehen, die sogar Licht verschlingen. Um Weihnachten 1995 entsteht die bis dato größte Sensation astronomischer Fotografie, obwohl das Bild auf den ersten Blick langweilig ist. Voraus ging eine monatelange Suche nach dem dunkelsten Ort am Himmel. Das Team am Space Telescope Science Institute in Baltimore will so weit wie möglich in die Tiefe des Alls blicken, will ein Foto schießen, das Milliarden von Jahren in die Anfänge des Universums zurückreicht.

Einen rasenden Koloss auf einen Punkt fixieren

Der ideale Ort liegt in der Deichsel des Großen Wagens und ist für jemanden, der in den Himmel blickt, so klein wie eine Zehncent-Münze in 25 Metern Entfernung. Tagelang nimmt Hubbles Wide Field and Planetary Camery 2 exakt 342 Fotos mit Belichtungszeiten von bis zu 40 Minuten in mehreren Lichtwellenbereichen auf. Gyroskope müssen dabei das schulbusgroße Gerät exakt auf diesen winzigen Punkt ausgerichtet halten. Eine schwere Aufgabe, denn das Hubble-Teleskop rast derweil mit 28.000 Kilometern pro Stunde in gut 90 Minuten einmal um die Erde.


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Aufwändig setzen Spezialisten zwei Wochen lang die Fotos am Computer zu einem Bild zusammen - und halten den Atem an. Mehr als 3000 Galaxien sind alleine auf diesem kleinen Himmelsausschnitt aus der Kinderstube des Universums zu sehen, zehn Milliarden Lichtjahre sind sie entfernt. Jede dritte Galaxie ist deformiert, was beweist, dass sie früher besonders häufig kollidiert sind. Je weiter man in die Tiefe blickt, umso mehr nehmen die Sternhaufen zu.

Das Deep Field zeigt sich voller Galaxien. Hier sehen wir nichts weniger als den Rand des Universums und blicken zugleich in eine Zeit nah am Urknall.

Das Deep Field zeigt sich voller Galaxien. Hier sehen wir nichts weniger als den Rand des Universums und blicken zugleich in eine Zeit nah am Urknall. © NASA, ESA, R. Ellis (Caltech), a

Fortan rechnen die Astronomen nicht mehr mit zehn Milliarden Galaxien im Universum, sondern mit fünfmal so vielen. Sie finden den Beweis, dass im Zentrum fast jeder Spiralgalaxie ein Schwarzes Loch Sterne verschlingt. Hubble belegt, dass sich das Universum nicht gleichmäßig, sondern immer schneller ausdehnt - was wiederum die Urknalltheorie seines Namensgebers Edwin Powell Hubble beweist.

Schon der amerikanische Astronom träumte von einem Teleskop im All, das ungestört von flimmernden Luftschichten, Streulicht, Wolken und Staub ins All blicken kann. Die Idee formulierte 1923 erstmals der deutsche Physiker und Raketenpionier Hermann Oberth (gestorben 1989 in Nürnberg), doch erst nach dem Technikschub durch den Sowjetisch-Amerikanischen Wettlauf zum Mond konnte man die Umsetzung angehen. Geschätzte Kosten für das geplante Large Space Telescope: 100 Millionen US-Dollar.

Vorläufer der Digitalkameras

Die Hauptsorge: Wie sollte man den belichteten Fotofilm zurück zur Erde bekommen? 1970 wurden hochempfindlich elektronische Lichtsensoren entwickelt, Basis jeder modernen Digitalkamera. Damit ließen sich fein aufgelöste Bilddaten zur Erde funken. Also machte sich die Nasa ab 1972 an die Entwicklung des Weltraumteleskops und gab die Größe vor:

Der Adlernebel ist eines der schönsten Objekte, hier sieht man deutlich die Brillanz der Fotos, die Hubble zur Erde schickt. Derartiges hat die Menschheit vorher nicht gesehen.

Der Adlernebel ist eines der schönsten Objekte, hier sieht man deutlich die Brillanz der Fotos, die Hubble zur Erde schickt. Derartiges hat die Menschheit vorher nicht gesehen.

Hubble musste in die zeitgleich entwickelten Space-Shuttles passen, die das Teleskop im All aussetzen und zu regelmäßigen Wartungen besuchen sollten. Das limitierte die Spiegelgröße auf 2,40 Meter.

Die Ingenieure rechneten nun mit Kosten von 900 Millionen US-Dollar, weshalb sie die europäische Raumfahrtorganisation Esa mit ins All nahmen, die gegen eine Übernahme von 15 Prozent der Kosten 15 Prozent Beobachtungszeit bekam und eine Spezialkamera sowie die Solarzellen konstruierte.


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Das größte Problem bei der Entwicklung war, Hubble im Orbit stabil auf einen Punkt auszurichten. Denn um Hubble Orientierung zu geben, mussten statt der bislang 10.000 hellsten bekannten Himmelskörper 15 Millionen Sterne katalogisiert werden - der für 1983 geplante Start verzögerte sich immer weiter. Als 1986 die Raumfähre Challenger explodierte, stellte die Nasa vorübergehend alle Missionen ein. Die Kosten für das Weltraumauge lagen mittlerweile bei 1,5 Milliarden US-Dollar.

1993 müssen Astronauten dem Teleskop eine Brille aufsetzen und neue Solarpanel installieren.

1993 müssen Astronauten dem Teleskop eine Brille aufsetzen und neue Solarpanel installieren.

Am 24. April 1990 setzt die Discovery endlich das Teleskop in rund 600 Kilometern Höhe aus. Doch wechselt Hubble von der Tag- auf die Nachtseite der Erde und umgekehrt, ändert sich die Temperatur schlagartig um 200 Grad - die Solarflügel verspannen sich und lassen Hubble trudeln. Die ersten Fotos sind eine Enttäuschung: Statt fein definierter Punkte sehen die Forscher Schlieren - der Spiegel ist um hunderstel Millimeter zu flach geschliffen. Die Nasa setzt Hubble bei einem Wartungsflug 1993 eine Art Brille auf und tauscht gleich die verspannten Solarsegel aus. Im Dezember schießt Hubble dann Fotos, die alle Erwartungen übertreffen.

Sie machen Hubble zum Popstar der Wissenschaft. Gut 13.000 wissenschaftliche Arbeiten basieren auf seinen Beobachtungen, mehrere Zehntausend Objekte hat das Teleskop auf über einer Million Fotos festgehalten. Noch immer sendet es jede Woche 120 Gigabyte Daten zur Erde. Zunächst auf 10 Jahre angesetzt dauert seine Mission schon dreimal so lange. 2011 wurde das Teleskop zum wohl letzten Mal gewartet. Zehn Milliarden US-Dollar hat es inklusive Wartungsmissionen verschlunge. Irgendwann wird es kontrolliert zum Absturz gebracht, verglüht in der Atmosphäre, die Überreste versinken im Meer. Bis dahin wird hoffentlich das James Webb Teleskop übernommen haben. Für 2021 ist sein Einsatz geplant - mit fast 20-jähriger Verspätung.

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