Nach starken Nebenwirkungen: Immunologen werben für Astrazeneca-Impfstoff

18.2.2021, 09:31 Uhr
In zwei schwedischen Provinzen sind nach Corona-Impfungen außergewöhnlich viele Nebenwirkungen aufgetreten. 

© Sven Hoppe, dpa In zwei schwedischen Provinzen sind nach Corona-Impfungen außergewöhnlich viele Nebenwirkungen aufgetreten. 

Nachdem am vergangenen Donnerstag 400 Mitarbeiter zweier Krankenhäuser den Covid-19-Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers AstraZeneca erhalten haben, hatte die Provinz Sörmland die Verabreichung des Vakzins vor einigen Tagen vorübergehend gestoppt. Mittlerweile wurde der Impf-Stopp in beiden Regionen wieder aufgehoben.

Der Grund: 100 Geimpfte klagten nach der Impfung über starke Nebenwirkungen wie Fieber, Kopfschmerzen, Schüttelfrost und Gliederschmerzen und ließen sich krank schreiben. Das berichtete der schwedische öffentlich-rechtliche Sender SVT.

Auch in der Provinz Gävleborg fiel dem Bericht zufolge ein überraschend großer Teil des Klinik-Personals nach der Impfung aus. In den Krankenhäusern, in denen geimpft wurde, herrschte vorübergehend akuter Personalmangel.

AstraZeneca-Nebenwirkungen: Auch mehrere Fälle in Deutschland und Frankreich

Ähnliche Fälle wie in Schweden werden auch aus Deutschland gemeldet: Wie die Neue Westfälische berichtet, meldeten sich am Freitag 21 Angestellte des Rettungsdienstes im Landkreis Minden-Lübbecke in Nordrhein-Westfalen nach der AstraZeneca-Impfung krank. In einem Emdener Klinikum meldeten sich rund 30 Pflegekräfte nach der AstraZeneca-Impfung krank.

In Frankreich stoppte eine Klinik in Bois-Guillaume bei Rouen laut dem Sender France 3 ebenfalls die Impfungen, nachdem sich sieben von 20 Mitarbeitern krank meldeten.


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Nebenwirkungen von AstraZeneca-Impfstoff: "Das ist gar nicht gut"

Grippeähnliche Nebenwirkungen sind grundsätzlich nichts Ungewöhnliches bei den Corona-Impfstoffen. Wenn sie allerdings bei einem Viertel der Geimpften auftreten, läuten die Alarmglocken.

Dass so viel Personal ausfalle, sei "gar nicht gut", so Andreas Heddini, der medizinische Leiter von AstraZeneca in Nordeuropa, gegenüber dem Sender.


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Und weiter: "Es sieht so aus, als sei der Anteil der Nebenwirkungen höher gewesen als von uns erwartet. In unseren Studien haben wir etwa 10 Prozent mit Nebenwirkungen dieser Ausprägung gesehen. Wir nehmen das sehr ernst."

Drosten wirbt für den Impfstoff

In der Kritik steht AstraZeneca auch, weil das Präparat eine geringere Wirksamkeit aufweist als die Mittel von Biontech/Pfizer und Moderna - bezogen darauf, wie viele Geimpfte in Studien im Vergleich zu Nicht-Geimpften erkranken.

Deutschlands Top-Virologe Christian Drosten wirbt trotzdem für den AstraZeneca-Impfstoff. Alle verfügbaren Impfstoffe seien extrem gut gegenüber dem, was man erwarten konnte. "Es gibt immer irgendwo ein Haar in der Suppe, und manche schauen da mit dem Vergrößerungsglas drauf", so Drosten.

Der Immunologe Watzl sagte der Augsburger Allgemeinen: "Das Mittel von Astrazeneca ist ein sehr guter Impfstoff, auch wenn die anderen noch ein bisschen besser sind." Durch den in Deutschland verlängerten Abstand zwischen erster und zweiter Dosis werde die Wirksamkeit von Astrazeneca mutmaßlich auf 80 Prozent erhöht. Der Impfstoff biete einen deutlichen Schutz vor einer Corona-Erkrankung, der um ein Vielfaches besser sei, als wenn man nicht geimpft sei.

Nebenwirkungen seien ähnlich stark wie bei anderen Präparaten

Das Astrazeneca-Vakzin unterscheide sich auch bei den Nebenwirkungen kaum von den anderen Wirkstoffen, sagte Watzl weiter. "Ein Unterschied zwischen den Impfstoffen ist, dass diese Nebenwirkungen bei mRNA-Impfstoffen in mehr Fällen und stärker nach der zweiten anstelle der ersten Impfung auftreten. Bei Astrazeneca ist es genau umgekehrt." Reaktionen des Körpers bei Impfungen seien nicht überraschend und in der Regel Ausdruck davon, "dass der Impfstoff das tut was er tun soll, nämlich eine Immunreaktion auszulösen".

Watzl schlug zugleich eine spätere Nachimpfung mit einem anderen Mittel vor. "Man kann die Immunität, die man mit dem Astrazeneca-Impfstoff ausgelöst hat, ohne Probleme mit einem mRNA-Impfstoff später noch einmal verstärken", sagte Watzl. Spätestens ab dem vierten Quartal stünden mehr Impfdosen zur Verfügung als für eine zweifache Impfung der Gesamtbevölkerung nötig wären, argumentierte der Dortmunder Professor. "Es wäre deshalb kein Problem, eine dritte Impfung mit einem mRNA-Impfstoff nachzuholen."

Gesundheitsminister Spahn sagte in Berlin, für alle drei derzeit in Deutschland zugelassenen Präparate gelte, dass ein sicherer und wirksamer zugelassener Impfstoff schütze. Mit Blick auf AstraZeneca betonte Spahn, er sei von den Zulassungsprozessen und Prüfungen überzeugt. "Und deswegen werde ich mich zu gegebener Zeit sicherlich auch damit impfen lassen", fügte er hinzu.

Währenddessen entwickelt der Hersteller sein Portfolio weiter. AstraZeneca will nun einen Impfstoff für Kinder in den Fokus nehmen.

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