Wie Paare zusammen bleiben: Nürnberger Experte gibt Tipps

7.2.2020, 14:08 Uhr
Ob eine Beziehung auf Dauer funktioniert, ist nicht nur Schicksal. Paare können das Glück in der Liebe durchaus aktiv beeinflussen.

© djama/fotolia.com Ob eine Beziehung auf Dauer funktioniert, ist nicht nur Schicksal. Paare können das Glück in der Liebe durchaus aktiv beeinflussen.

Wir dachten immer, Glück in der Liebe reicht aus, um gemeinsam alt zu werden...
Markus Schaer: Das Glück, den oder die Richtige zu treffen, ist natürlich wichtig und immer der erste Schritt. Aber auf lange Sicht gesehen reicht Glück alleine nicht aus, damit eine Beziehung funktioniert. Auf Dauer kommt es darauf an, wie zwei Menschen miteinander umgehen. Das ist der Knackpunkt. Diese Paar-Interaktione sind auch ein guter Indikator dafür, wie es mit einem Paar weitergeht.

Was zählt denn hier alles dazu?
Schaer: Eine positive Paar-Interaktion kann ein liebevoller Blick oder eine Umarmung sein, aber auch aufmerksames Zuhören oder ein Geschenk. Eine negative Paar-Interaktion wäre zum Beispiel eine kritische Nebenbemerkung, Vorwürfe oder auch Nichtbeachten.

Und wie kann man daraus jetzt vorhersagen, ob es gut oder schlecht aussieht für ein Paar?
Schaer: Es gibt die 5:1-Konstante von John Gottman. Das bedeutet: Wenn das Verhältnis positiver zu negativer Paar-Interaktionen 5:1 beträgt, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass das Paar in zwei Jahren noch zusammen ist.

Das heißt, eine negative Aktion muss ich idealerweise mit fünf positiven wettmachen?
Schaer: Genau. Wenn das Verhältnis schlechter wird, sinken auch die Chancen auf eine gemeinsame Zukunft.

Professor Markus Schaer von der Evangelischen Hochschule Nürnberg.

Professor Markus Schaer von der Evangelischen Hochschule Nürnberg. © privat

Warum braucht es so viel positives Engagement, um eine negative Aktion auszumerzen?
Schaer: Wir haben in unseren Untersuchungen festgestellt, dass negative Verhaltensweisen viel ansteckender wirken als positive. Grundsätzlich kann man sagen: 25 Prozent des negativen Verhaltens, das ich abkriege, habe ich selbst provoziert und damit bei meinem Gegenüber ausgelöst. Diesen Effekt finden wir bei positivem Verhalten nicht. Das bedeutet: Wir haben eine gute Chance, bei unserem Partner ein negatives Verhalten auszulösen. Den Partner durch mein positives Verhalten dazu zu bringen, nett zu sein, ist dagegen viel schwieriger. Die negativen Verhaltensweisen sind also so dominant in einer Beziehung, dass es viel Positives braucht, um das auszugleichen.

Ist Streit in einer Beziehung demzufolge immer schlecht?
Schaer: Nein, so kann man das nicht sagen. Denn in jedem Streit steckt ja auch die Chance auf eine Weiterentwicklung der Beziehung und die Möglichkeit, den anderen besser kennenzulernen. Warum ist dem anderen Pünktlichkeit so wichtig und warum ärgert es ihn so, wenn ich zu spät komme? Man kann durch einen Streit näher zusammenrücken, aber er birgt natürlich auch das Risiko, dass man sich voneinander entfernt. Das ist der Fall, wenn nicht miteinander gesprochen wird, wenn sich einer oder beide beleidigt zurückziehen oder sogar Aggressivität entsteht. Dann überwiegt die Negativität und die Konfliktlösung misslingt.

Wenn negatives Verhalten so ansteckend ist: Kann es sein, dass ich selbst daran schuld bin, wenn mir mein Partner oft blöd kommt?
Schaer: Ja. Wenn jemand sagt: "Ich gerate immer an den Falschen", kann man das auch so interpretieren, dass derjenige immer wieder dasselbe negative Verhalten bei allen seinen Partnern auslöst.

Was wiederum beim anderen schlechte Laune erzeugt . . . Wie kann man diese Abwärtsspirale aufhalten?
Schaer: Jeder sollte sich bewusstmachen, dass man selbst für positives Verhalten verantwortlich ist und zum Akteur werden muss. Und dass ich nicht erwarten kann, dass der andere nett ist, bloß weil ich nett bin. Ich muss immer wieder damit anfangen und positiv bleiben, auch im Konfliktfall. Das erfordert enorme Geduld.

Reden, zuhören, umarmen: Positive Interaktionen entstehen in einer Beziehung nicht von selbst, negative schon.

Reden, zuhören, umarmen: Positive Interaktionen entstehen in einer Beziehung nicht von selbst, negative schon. © Strelciuc Dumitru, istock

Das klingt tatsächlich ziemlich schwierig — positiv bleiben, wenn gerade die Fetzen fliegen.
Schaer: Das ist es auch. Mit negativen Konfliktverhaltensweisen wie Schmollen, Rückzug oder Gegenvorwürfen sind wir schnell dabei. Positive Verhaltensweisen wie Zuhören und den anderen verstehen wollen, sind neurobiologisch viel anspruchsvoller. Da muss ich nämlich zuerst den Verstand einschalten und meine eigenen Gefühle zurückstellen.

Wie verhalte ich mich also am besten, wenn ein Streit aufkommt?
Schaer: Die beste Konfliktstrategie ist: Zuhören und versuchen, die Gefühle meines Gegenübers zu verstehen (siehe Infotext am Ende). Einer muss anfangen mit konstruktivem Verhalten, und die Bereitschaft zuzuhören ist dabei zentral.

Sie haben auch untersucht, warum die Gefahr einer Trennung größer ist, wenn einer oder beide Partner aus Scheidungsfamilien stammen.
Schaer: Das stimmt. Das Risiko ist 1,6-fach erhöht, wenn einer der beiden Partner aus einer Scheidungsfamilie stammt und sogar dreimal so hoch, wenn beide Partner die Scheidung der Eltern miterleben mussten. Die Vermutung war, dass Kinder negatives Konfliktverhalten ihrer Eltern übernehmen und deshalb in ihrer eigenen Beziehung ebenfalls leicht scheitern. Wie dieses "Vererben" von Verhalten genau abläuft, war aber unklar. Deshalb haben wir in unserer Studie auch die Eltern der Partner miteinbezogen. Wir wollten die Frage beantworten, wer welches Verhalten von wem übernimmt.

Stammen beide Partner aus Scheidungsfamilien, ist das Risiko, ebenfalls in der Beziehung zu scheitern, drei mal so hoch wie bei anderen Paaren.

Stammen beide Partner aus Scheidungsfamilien, ist das Risiko, ebenfalls in der Beziehung zu scheitern, drei mal so hoch wie bei anderen Paaren. © i.stock.com

Was haben Sie herausgefunden?
Schaer: Männer und Frauen übernehmen unterschiedliche Verhaltensweisen ihrer Eltern. Töchter übernehmen generell sehr viele Verhaltensmuster aus ihrer Herkunftsfamilie: das konstruktive Verhalten, aber auch Aggressivität und Rückzugsmuster. Im Grunde verhalten sie sich ihrem Partner gegenüber so, wie sie sich auch ihren Eltern gegenüber verhalten. Für Männer, die wissen wollen, was auf sie zukommt, gilt also: "Wie streitet die mit ihren Eltern? So wird sie auch mit dir streiten."

Und was erwartet die Frauen in puncto Streitverhalten?
Schaer: Söhne übernehmen nur das Rückzugsverhalten, also wie und ob Konflikte abgeblockt werden. Und das übernehmen sie vor allem vom Vater. Wenn Frauen wissen wollen: "Kann ich mit dem reden?", sollten sie herausfinden, ob man mit dem Vater reden kann.

Was macht man jetzt mit solchen Erkenntnissen?
Schaer: Das hohe Ansteckungspotenzial negativen Verhaltens ist zum Beispiel für die Paartherapie interessant. Und auch in der Eltern-Kind-Kommunikation können uns diese Ergebnisse weiterbringen, zum Beispiel bei Elterntrainings. Was für den Partner gut ist, ist schließlich auch für die Kinder gut!

Besser streiten: Die Tipps des Experten

Je schlechter die Beziehung, desto öfter treten die "Vier Vorboten der Apokalypse" nach John Gottman auf, sagt der Psychologe und Psychotherapeut Markus Schaer.

Dazu gehören: 1. generalisierende und pauschale Kritik, 2. ständige Rechtfertigung mit sofortigem Gegenvorwurf. 3. Verächtlichkeit durch Zynismus und Belächeln, sowie 4. der Rückzug eines oder beider Partner. "Wenn alle vier Punkte regelmäßig zusammenkommen, ist die Wahrscheinlichkeit einer Trennung sehr hoch."


Gerade weil negatives Verhalten so ansteckend wirkt, rät Markus Schaer, möglichst positiv zu bleiben. Konflikte in der Partnerschaft können konstruktiver gelöst werden, wenn möglichst beide folgende Grundregeln beherzigen. Auch wenn es schwerfällt: Einer muss mit dem "richtigen" Verhalten anfangen!
* Hören Sie Ihrem Partner mit voller Aufmerksamkeit zu, halten Sie Blickkontakt und stellen Sie offene Fragen ("Wie war diese Situation für Dich?")
* Wiederholen und validieren im Streit Sie die Gefühle Ihres Partners ("Das hat Dich geärgert, das verstehe ich")
* Vermeiden Sie es, die Gefühle Ihres Partners zu bagatellisieren oder herunterzuspielen ("Das ist doch nicht so schlimm . . .")
* Halten Sie alle negativen Gefühle Ihres Partners aus, auch Ärger. Gefühle können erst verschwinden, wenn sie nicht unterdrückt werden, sondern da sein dürfen. Versuchen Sie, keine Angst oder Scham vor intensiven Gefühlen zu haben.
* Vermeiden Sie Vorwürfe und generalisierende Aussagen ("Du bist immer . . .")
* Ziehen Sie sich nicht zurück und bleiben Sie im Kontakt. Nur bei extremen Eskalationen kann eine gemeinsam vereinbarte Streitpause sinnvoll sein.
* Vermeiden Sie Sarkasmus, Ironie und Verächtlichkeit ("Typisch Monsieur/Madame . . .", "Du immer mit Deinen albernen Spielchen . . ."), sie wirken extrem verletzend
* Öffnen Sie sich mit Ihren eigenen Gedanken und Gefühlen ("Ich fühle mich verletzt, weil . . .")
* Sprechen Sie über Bedürfnisse und Wünsche statt über Forderungen ("Ich wünsche mir, dass . . .")
* Sprechen Sie zuerst über Ihre Gefühle und Gedanken. Erst wenn sich beide Partner verstanden fühlen, versuchen Sie, einen Kompromiss oder eine gemeinsame Lösung zu finden.

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