Wölfe fühlen sich in Deutschland wieder wohl

18.1.2012, 12:45 Uhr
Wölfe fühlen sich in Deutschland wieder wohl

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Ein Jahr ist es her, dass der Wolf von Bayerischzell wieder verschwand. Monatelang hatte er die Bewohner in Atem gehalten, mehr als 20 Schafe und Kälber soll er erlegt haben. Selbst Touristen riefen aufgeregt an und fragten, ob man die Region denn überhaupt noch besuchen könne. Mitte Januar war der Spuk wieder vorbei — so plötzlich, wie er gekommen war. Wölfe seien eben sehr scheu und sehr schlau, fasste Bürgermeister Helmut Limbrunner damals zusammen. Gleichzeitig sind die Tiere sehr anpassungsfähig. Sie gelten als schnelle Kolonialisierer neuer Lebensräume, können sich sowohl an Naturlandschaften gewöhnen als auch an landwirtschaftliche, also vom Menschen geprägte Regionen. In Europa war der Wolf einmal fast ausgerottet. Viele Jahre lang wurden die Tiere in Deutschland aus ihren Revieren vertrieben und gejagt; in Bayern wurde laut der Tierschutzorganisation WWF das letzte heimische Exemplar 1882 erlegt. Nun, 130 Jahre später, kehrt „Isegrim“ langsam zurück. Inzwischen gebe es bundesweit 100 bis 120 Tiere, schätzt Norman Stier, Wildbiologe an der TU Dresden.

Bemerkenswert ist jedoch nicht die Zahl allein, sondern der Vergleich zum Vorjahr: 2010 waren es gerade einmal 60 Tiere; damit hat sich der Bestand innerhalb eines Jahres verdoppelt. Besonders wohl fühlen sich die Wölfe offenbar in Sachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern — in Wäldern oder auf verlassenen Truppenübungsplätzen.

Überall da, wo die Menschen weniger werden, werden die Wölfe mehr. Im Osten kommen sie, um zu bleiben: Südwestlich von Berlin, in Lehnitz und Jüterborg, ist bereits Nachwuchs da, ebenso in Altengrabow in Sachsen-Anhalt. Erst mit zwei Jahren werden die Jungen geschlechtsreif, so lange bleiben sie bei ihren Eltern. Frühestens Mitte dieses Jahres werden daher die Ersten abwandern, glauben Experten.

Dann könnte es wieder sein, dass der eine oder andere Wolf sich ins relativ dicht besiedelte Bayern verirrt. „Gerade Jungtiere sind sehr wanderfreudig“, sagte Sandra Brandt, Sprecherin des Bayerischen Landesamtes für Umwelt, unserer Zeitung. „Und wir sind schließlich umgeben von Ländern mit Wolfsvorkommen.“

„Wir haben noch genug Zeit“

Deswegen bereitet sich der Freistaat vor. Seit drei Jahren gibt es den Managementplan „Wölfe in Bayern — Stufe 1“. Darin geht es erst einmal um „zu- und durchwandernde Einzeltiere“. Geregelt sind zum Beispiel Entschädigungen für Bauern, sollte ein Wolf ihr Vieh reißen, und Maßnahmen für den Herdenschutz. Die zweite Stufe, mit der sich Bayern auf „standorttreue, wenige Tiere“ einstellt, ist gerade in Arbeit. Nach der Aufregung in Bayerischzell ist bisher allerdings kein Wolf mehr gesichtet worden. Und bis es hier Rudel gibt, wird es noch einige Zeit dauern, glaubt Eric Imm, Naturschutzreferent des Bayerischen Jagdverbands. „Außerdem werden es nur einige wenige Gebiete sein, in denen Wölfe sich hier ansiedeln.“

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Wenn es nach Landwirten und Jägern ginge, könnten die Tiere sich Zeit lassen. Denn wenn der Wolf hier heimisch wird, müssen die Bauern ihre Haltungskonzepte ändern. Schafe in den Alpen könnten nicht mehr frei herumlaufen, sondern müssten mit Zäunen und Hütehunden beschützt werden. Die Jäger fürchten zudem, dass hungrige Wölfe das ausgetüftelte Rotwild-Management aus dem Gleichgewicht bringen. Dagegen könnten sie rein gar nichts tun — denn die Art steht unter strengem Schutz.

Imm sieht das alles jedoch gelassen: Wie mit den Luchsen, die seit den 90er Jahren wieder nach Deutschland zuwandern, werde man auch mit den Wölfen leben können, glaubt er.

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