Pfarrer sagt dem großen Nest Adieu

30.5.2014, 13:00 Uhr
Pfarrer sagt dem großen Nest Adieu

© Matthias Kronau

Zum vorletzten Mal klappt Winfried Buchhold den kleinen Spiegel an der Läuteanlage in der Sakristei der St.-Veit-Kirche nach außen, um sein weißes Beffchen über dem schwarzen Talar anzulegen. Mit routinierten Handgriffen richtet er die traditionelle Halsbinde der evangelischen Pfarrer, bevor er sich mit beiden Händen über den inzwischen angegrauten Bart fährt. Nach einem kurzen Gebet mit den zahlreichen ehrenamtlichen Gottesdienstmitarbeitern tritt Winfried Buchhold dann hinaus in das gut gefüllte Kirchenschiff, zum Gottesdienst der Konfirmanden-Eltern.

Sollte er vor seinem letzten offiziellen Gottesdienst als Gemeindepfarrer in Veitsbronn angespannt sein, so ist es dem 62-Jährigen in diesem Moment nicht anzumerken. „Ein komisches Gefühl war es natürlich schon“, wird Winfried Buchhold hinterher sagen. Auch, dass ihn der Abschied aus Veitsbronn sehr bewegt, will er nach dem Gottesdienst nicht leugnen. Alles andere wäre freilich auch verwunderlich. Immerhin ist es ziemlich genau 24 Jahre her, dass Buchhold erstmals vor dem kleinen Spiegel in der Sakristei der Veitskirche stand. Als relativ junger Pfarrer von damals 38 Jahren kam er im Juli 1990 mit seiner Frau Frieda und den drei Kindern aus der eher beschaulichen 1000-Seelen Gemeinde Offenbau in das mehr als dreimal so große Veitsbronn.

„Schon allein deshalb war die Umstellung enorm“, erinnert sich Buchhold. Trotzdem bedurfte es weder für den Theologen noch für den Menschen damals eine Eingewöhnungszeit. „Wir sind hier in einem großen Nest gelandet, in dem wir uns von Anfang an zu Hause gefühlt haben.“ Gerade in den letzten Jahren, als ihn eine Tumorerkrankung mehrmals an seine persönlichen Grenzen führte, lernte Buchhold diese „Nestwärme“ noch einmal besonders schätzen. Dass auch die Kirchengemeinde zu schätzen weiß, was sie an ihrem Pfarrer hatte, bestätigt Anne Strickstrock. Die Vertrauensfrau des Veitsbronner Kirchenvorstandes, bezeichnet Buchhold als ausgewogene Persönlichkeit. „Als Pfarrer war er nahe bei den Menschen, gleichzeitig führte er aber auch die Geschäfte der Kirchengemeinde mit Weitblick.“ Ähnlich äußert sich auch Dekan Friedrich Schuster. „Mir sind bei Winfried Buchhold von Anfang an seine betenden und gleichzeitig zupackenden Hände aufgefallen“, sagt Schuster über den Kollegen.

Tatsächlich hat Winfried Buchhold in seiner Amtszeit in Veitsbronn einiges angepackt und auf den Weg gebracht. So erweiterte er die Gottesdienstlandschaft in der Zenngrundgemeinde, wobei vor allem die Vitusmesse, ein 1993 ins Leben gerufener Segnungsgottesdienst, weit über die Landkreisgrenzen hinaus bekannt wurde. Im Kirchenvorstand initiierte er 1994 die Anstellung eines Jugendreferenten, den die Kirchengemeinde inzwischen seit 20 Jahren aus eigenen Mitteln finanziert. In Erinnerung bleiben außerdem die zahlreichen Bauprojekte in Buchholds Amtszeit. Angefangen mit dem Anbau eines Bürotraktes an das Pfarrhaus, wurden in den folgenden Jahren der Kindergarten in der Erlenstraße, das Gemeindehaus am Schelmengraben und das Pfarrhaus saniert. Außerdem renovierte die Kirchengemeinde die alte Wehrmauer um die Veitskirche und vor sieben Jahren auch noch den Turm des Gotteshauses. Die bedeutendste Baumaßnahme für Buchhold selbst war vor 14 Jahren der Neubau der Friedenskirche in Tuchenbach, das kirchengemeindlich zu Veitsbronn gehört.

Wenn man sich im Dorf nach diesen vielen Baumaßnahmen erkundigt, wird schnell deutlich, dass Winfried Buchhold nicht nur ein Mann der Tat ist, sondern obendrein auch keine Scheu davor hat, dicke Bretter zu bohren. An der Seite der politischen Gemeinde kämpfte er beispielsweise sechs Jahre lang erfolgreich gegen den Denkmalschutz und für einen Durchbruch der alten Wehrmauer, um einen barrierefreien Zugang zur Kirche zu ermöglichen. Und auch in Tuchenbach erinnert man sich noch heute, dass es nicht zuletzt der Beharrlichkeit des Pfarrers zu verdanken war, dass die Gemeinde, trotz anfänglicher Bedenken der Landeskirche, heute über eine eigene Kirche verfügt.

Buchhold selbst reicht die ihm zugedachten Lorbeeren allerdings schnell weiter. Nur Dank der über Jahre hinweg vertrauensvollen und offenen Zusammenarbeit mit dem Kirchenvorstand konnten so viel Projekte angestoßen und umgesetzt werden. Auch ohne die „fantastische Truppe“ der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen im Pfarramt wäre vieles nicht möglich gewesen, beteuert Winfried Buchhold.

Dieses „große Nest“ nun wieder zu verlassen, fällt dem 62-Jährigen nicht leicht. Dennoch freut er sich auch schon auf den Ruhestand. Zusammen mit seiner Frau Frieda möchte er sich im neuen Heim in Heilsbronn erst einmal eine ein- bis zweijährige Ruhepause gönnen. „Ich will viel laufen und vielleicht kauf‘ ich mir auch wieder ein Motorrad“, sagt Winfried Buchhold. Und auch die „betenden und zupackenden Hände“ will er noch nicht wirklich ruhen lassen. „Auch wenn ich jetzt im Ruhestand bin, bleibe ich natürlich Pfarrer“, sagt Winfried Buchhold.

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