Abgeordnete im Bundestag bedrängt: Ein unerhörter Vorgang

19.11.2020, 13:40 Uhr

Die wackeligen, von Amateuren aufgenommenen Videos aus dem Deutschen Bundestag zeigen beängstigende Szenen. Da muss sich Wirtschaftsminister Peter Altmaier in den Aufzug flüchten, um Menschen zu entkommen, die ihn beleidigen und bedrängen. Ähnliches sollen am Tag der Abstimmung über das Infektionsschutzgesetz auch andere Abgeordnete erlebt haben, die sich zum Teil in ihren Büros einschlossen.

Solch Vorgänge sind sehr ernst zu nehmen. Wenn sich vom Volk gewählte, freie und nur ihrem Gewissen verpflichtete Parlamentarier nicht einmal mehr im Bundestag, der Herzkammer unserer Demokratie, sicher fühlen können, dann läuft etwas gewaltig schief.

Parlament verhöhnt

Es steht der Vorwurf im Raum, dass die Störerinnen und Störer als Gäste der AfD in das Reichstagsgebäude eingeschleust wurden – entweder bewusst, um für Unruhe zu sorgen, oder mit bedingtem Vorsatz, indem man das billigend in Kauf nahm. Bis zum Beweis gilt natürlich die Unschuldsvermutung. Aber sollte sich das als zutreffend erweisen, müsste dieses Verhalten harte Konsequenzen nach sich ziehen. Es ist ja schon länger zu beobachten, dass die AfD das Parlament verhöhnt und instrumentalisiert, wo sie nur kann. Bestellte Unruhestifter wären eine weitere Eskalationsstufe.

Jetzt ist zu prüfen, ob gegen die Störer selbst strafrechtlich vorgegangen werden kann – wegen Beleidigung und eventuell auch wegen der Nötigung von Mitgliedern eines Verfassungsorgans. Das Beweismaterial liegt ja zum Glück in Gestalt der Smartphone-Videos vor. Der Ältestenrat muss klären, welche Verantwortung die AfD dafür trägt und ob man Sanktionen gegen die Fraktion oder die betroffenen Abgeordneten verhängen kann.

Was sagen die Verharmloser jetzt?

Leider ist das Eindringen des Pöbels ins Innerste des Parlaments nicht das erste Ereignis dieser Art. Wer erinnert sich nicht an die Bilder von den „Demonstranten“, die anlässlich einer Querdenker-Demo Absperrungen überwanden und schließlich unmittelbar vor dem Eingang des Bundestages standen? Gerade mal drei Polizisten befanden sich noch zwischen ihnen und dem Portal.

Damals hieß es von manchen Menschen, auch in Mails an unsere Zeitung, man solle das alles doch bitte nicht so dramatisch sehen. Da seien halt nun mal ein paar Leute bis an die Türe des Parlaments herangekommen, ohne weiteren Schaden anzurichten. Das Ganze habe ja nur ein paar Minuten gedauert und schuld sei doch schließlich auch die Polizei, wenn sie das Gelände nicht ausreichend sichere. Und was sagen die Verharmloser jetzt? Dass die Abgeordneten lediglich mit Worten und ein klein wenig körperlich bedrängt wurden, aber immerhin nicht verprügelt?

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