Arbeitslosigkeit: Chef der Bundesagentur ruft Deutschland zum Durchhalten auf

29.1.2021, 14:34 Uhr
Detlef Scheele, Chef der Bundesagentur für Arbeit.

© Nicolas Armer, NZ Detlef Scheele, Chef der Bundesagentur für Arbeit.

Es ist müßig zu spekulieren, was genau Detlef Scheele veranlasst haben mag. Womöglich war es die Äußerung eines Politikers oder die Bemerkung eines Wirtschaftsvertreters wie damals im Juli, als Unternehmensberater Roland Berger das Bild einer neuen Massenarbeitslosigkeit von fünf Millionen Menschen an die Wand malte.

Jedenfalls richtet Detlef Scheele, nachdem er wie jeden Monat in der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit (BA) die Daten vom Arbeitsmarkt verlesen hat, fast so etwas wie einen Durchhalteappell an Deutschland. Es sei nicht die Zeit, "leichtfertige Sachen zu sagen", warnt der 64-jährige Behördenchef. "Jetzt, wo Licht am Ende des Tunnels zu sehen ist, darf der Optimismus nicht nachlassen."

Scheele weiß, dass es am Arbeitsmarkt eben nicht nur auf Zahlen ankommt, sondern auch auf Gefühle: Mehr als zwei Millionen Menschen sind in Kurzarbeit, sie sind es nur deshalb, weil ihre Firmenchefs davon überzeugt sind, ihre volle Arbeitskraft in naher Zukunft wieder brauchen zu können.


Hartz IV braucht keine Revolution, sondern eine Reform


Auch für sie, ja für die gesamte Wirtschaft ist es ein "Wettlauf gegen die Zeit", ein Wettlauf um die Frage, wie schnell die Impfungen voranschreiten, wie schnell sie den Lockdown überflüssig machen. Noch schlagen sich die Ladenschließungen kaum auf dem Arbeitsmarkt nieder, jedenfalls scheint es so: 2,9 Millionen Arbeitslose zählt die Bundesagentur im Januar, ein Plus von 193.000 im Vergleich zum Dezember, aber: eben auch nicht mehr, als in einem Winter an Anstieg üblich ist.

Ob das denn nicht höchst erstaunlich sei angesichts des nun schon wieder wochenlangen Lockdowns? "An der Oberfläche sieht es gut aus", sagt Scheele und schiebt nach: "Aber es gibt schon Verwerfungen." Um eine halbe Million ist die Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahr angestiegen, weit entfernt von Schreckensszenarien wie denen Bergers, dahinter aber stehen eben doch: eine halbe Million Schicksale.

Langzeitarbeitslosigkeit: Erfolge zunichte gemacht

Am härtesten trifft es jene, die es - ganz ohne Corona - schon schwer hatten am Arbeitsmarkt: Ausländer, deren Deutsch nicht gut ist, und Helfer, denen es an formaler Qualifikation fehlt. Sie, die oft in der Zeitarbeit unterkommen, sind stets die ersten Krisenopfer, auch diesmal. Dazu kommen Menschen, die - zum Beispiel nach Jahren der Kinderbetreuung - eigentlich die Rückkehr in den Beruf geplant hatten. Doch von außen eine Stelle zu finden, das ist schwer in diesen Zeiten.

Auch die Langzeitarbeitslosigkeit ist wieder gestiegen, auf fast eine Million. Die Erfolge der vergangenen Jahre - "wie Schnee in der Sonne weggeschmolzen", sagt Scheele. Er weiß, dass es Jahre dauern wird, dieses schwere Erbe der Corona-Pandemie vergessen zu machen. "Mich schmerzt das."

1 Kommentar