Bauminister Reichhart: "Ich halte gar nichts vom Mietpreisdeckel"

12.10.2019, 14:46 Uhr
Um die explodierenden Kosten einzudämmen, wird in Berlin über eine Deckelung diskutiert. Bayern setzt dagegen auf den Bau von Wohnungen, besonders auch von gefördertem Wohnraum.

© Jörg Carstensen Um die explodierenden Kosten einzudämmen, wird in Berlin über eine Deckelung diskutiert. Bayern setzt dagegen auf den Bau von Wohnungen, besonders auch von gefördertem Wohnraum.

Der promovierte Jurist Hans Reichhart (37) gilt als eines der größten politischen Talente in der CSU.

Der promovierte Jurist Hans Reichhart (37) gilt als eines der größten politischen Talente in der CSU. © Peter Roggenthin

Herr Reichhart, was empfehlen Sie den Menschen als Bauminister: Sollen sie eine Wohnung kaufen oder mieten?

Hans Reichhart: Das ist eine schwierige Frage. Ich kann da keine generelle Empfehlung aussprechen. Das muss jeder für sich selbst entscheiden, denn es hängt davon ab, wo man wohnt und wie die finanziellen Verhältnisse sind. Natürlich ist die selbst genutzte Immobilie die beste Altersvorsorge. Aber es muss passen, in allen Aspekten.

Weil Kredite im Moment nichts kosten, kaufen die Leute trotz steigender Immobilienpreise. Droht eine Immobilienblase, die während der nächsten Rezession platzt?

Reichhart: Nach allem, was die Fachleute uns bisher sagen, zeichnet sich das bisher nicht ab. Aber wir wissen natürlich nicht, wie sich die Wirtschaft entwickeln wird und mit ihr der Immobilienmarkt. Wer darauf spekuliert, dass der Wohnungspreis immer weiter steigt und sich die Immobilie am Ende mit Gewinn verkaufen lässt, der ist nicht gut beraten. Das muss schon solide kalkuliert werden.

Im Moment steigen die Preise auch in Gebieten, die bisher nicht betroffen waren, weil Wohnraum zum Spekulationsobjekt geworden ist. Wie wollen Sie gegensteuern?

Reichhart: Wenn wir das Angebot ausweiten, reguliert sich auch der Preis. Mittlerweile reagieren viele Kommunen und weisen in Neubaugebieten zwingend Sozialwohnungen aus. Sie greifen in den Markt ein und schaffen bezahlbaren Wohnraum. Wir prüfen obendrein, wie sich der Wohnungsbau über die Grundsteuer steuern lässt.

Trotzdem fallen immer mehr Wohnungen aus der Sozialbindung. Muss der Staat mehr investieren, gerade in den Städten?

Reichhart: Es stimmt, dass die Zahlen gesunken sind. Im Moment dreht sich der Trend aber um. Wir haben im vergangenen Jahr den Rekordwert von gut 880 Millionen Euro in den sozialen Wohnungsbau gesteckt; wir setzen das dieses Jahr fort. Im vergangenen Jahr haben wir so rund 12 000 Wohnungen gefördert. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der gebundenen Wohnungen in Bayern gestiegen. Inzwischen sind bis zu 40 Jahre Bindung möglich, statt der bisher üblichen 25 Jahre. Das wird auch nachgefragt, ein gutes Drittel der neuen Wohnungen ist bereits so lange geschützt.

Wie sehr wird der Druck auf dem Land zunehmen, weil die Menschen auf der Suche nach erschwinglichem Wohnraum mittlerweile immer weiter aus den Städten wegziehen – was dort die Mieten auf Stadtniveau treibt?

Reichhart: Das ist ein Problem, das sich vor allem entlang von Bahnlinien und Zubringer-Straßen zeigt. Es bietet für den ländlichen Raum allerdings auch eine Chance, weil er sich weiter entwickeln kann. Das müssen wir, vor allem aber die Gemeinden steuern. Sie haben die Instrumente dafür über das Planungsrecht. Und sie wissen vor Ort am besten, was sie vertragen und was nicht.

Trotzdem bleibt das Problem, dass Studenten und Lehrlinge, Beamte in den niedrigen Besoldungsstufen, Polizisten und Erzieher kaum bezahlbare Wohnungen finden. Muss der Staat selbst Wohnheime schaffen, wie es für die Polizei schon der Fall ist?

Reichhart: Wir investieren wie kaum ein anderes Bundesland: Zum einen steigt die Zahl der Sozialwohnungen durch unsere Wohnraumförderung von jährlich 886 Millionen Euro. Allein 12 000 Wohnheimplätze für Studenten haben wir seit 2007 mit 355 Millionen Euro gefördert. Zum anderen schaffen wir als Bauherr ebenfalls Wohnungen für Menschen mit niedrigeren Einkommen über unsere staatlichen Wohnungsbaugesellschaften. Über 15 000 Wohnungen haben wir bereits im Bestand, diese Zahl wollen wir in den nächsten Jahren verdoppeln.

Städte wie Wien können handeln, weil dort ein Großteil der Immobilien im städtischen oder im Besitz von gemeinnützigen Organisationen ist, über die sich der Mietpreis steuern lässt. Müssen unsere Kommunen umdenken und Immobilien aufkaufen?

Reichhart: In Wien reicht diese Entwicklung ein Jahrhundert zurück, das lässt sich nicht übertragen. Aber natürlich müssen die Kommunen investieren. Wir als Freistaat unterstützen sie dabei und haben ein Programm aufgelegt mit 150 Millionen Euro pro Jahr, weil wir einen Akzent setzen und die Kommunen motivieren wollen. Der Wohnungsbau gehört ja nicht zu ihren Kernaufgaben.

Bundesländer wie Berlin wollen über eine Mietpreisdeckelung wesentlich rigider handeln als Bayern. Wie weit können Sie sich mit solchen Modellen anfreunden?

Reichhart: Ich halte davon gar nichts, weil es nur dazu führen wird, dass in Berlin niemand mehr baut. Das trifft nicht nur die großen Unternehmen, sondern auch die kleinen Sparer, die eine Wohnung als Altersabsicherung sehen, und jetzt verunsichert sind. Wir müssen neue Anreize setzen und nicht neue Verbote schaffen. Die Mietpreisbremse, wie wir sie in Bayern haben, halte ich für sinnvoller.

Sie propagieren den Dachgeschossausbau; Kommunen sollen die Wohnhäuser aufstocken um mehrere Etagen. Das wird das Stadtbild massiv verändern. Wie wollen Sie das den Leuten schmackhaft machen?

Reichhart: Wenn ich die Herausforderungen im Wohnungsmarkt sehe, muss ich doch neue Wege gehen. Wir bauen in manchen Städten heute niedriger als vor 60, 70 Jahren. Wenn dann noch parallel die Wohnfläche immer größer wird, die jeder für sich beansprucht, muss ich handeln, weil da etwas nicht mehr stimmt. Wenn ich mit der Aufstockung mindestens eine Million neuer Wohnungen in Deutschland schaffen kann, dann ist das der richtige Weg. Zumal ich dafür nicht einmal neue Flächen versiegeln muss.


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Sie wollen das Baurecht entschlacken und den Bauherren weitreichende Freiheiten geben. Müssen Sie nicht einen architektonischen Wildwuchs befürchten?

Reichhart: Architektur verändert sich, ist im Fluss und muss das auch sein, damit sich die Städte und Gemeinden weiter entwickeln. Wir wollen, dass Menschen, die bauen, auch gestalten dürfen. Schließlich investieren sie sehr viel Geld. Damit das nicht ausufert, haben die Gemeinden durchaus Steuerungsmöglichkeiten. Sie müssen sie nur nutzen.

Als Jurist wissen Sie, warum Gesetze so komplex sind: Jede neue Konstellation wird aufgegriffen und geregelt. Im Baurecht ist das nicht anders.

Reichhart: Wir haben ein Jahr an unserer Reform gearbeitet und mit allen gesprochen, die betroffen sein werden. Es ist ein austarierter Entwurf, der die Möglichkeiten auslotet. Er wird manchen wehtun, aber er wird uns voranbringen.

Können Sie schätzen, wie viele Wohnungen in den kommenden Jahren tatsächlich entstehen werden?

Reichhart: Schwierig. Wir wissen nicht, wie sich die Konjunktur entwickeln wird. Da spielen viele Faktoren mit vom Kapital bis zum verfügbaren Bauland. Unser Ziel sind 70.000 Wohnungen im Jahr.

 

Sie sollen mit der Bayernheim einen Beitrag leisten mit dem Ziel von 10.000 neuen Wohnungen. Ist das realistisch?

Reichhart: Es ist erreichbar. Demnächst sind die ersten Wohnungen bezugsfertig. Wir haben Projekte etwa in Fürth mit 105 Wohnungen oder in Ingolstadt mit 400 Wohnungen. Es läuft.

Für wie viele Wohnungen haben Sie denn die nötigen Grundstücke?

Reichhart: Wir nutzen staatliche Flächen und kaufen weitere dazu. Aber eine präzise Zahl ist auch deshalb schwierig, weil wir bei jedem Grundstück genau prüfen: Wie viele Wohnungen sind verträglich? Wie steht es mit Umweltschutz und Landschaftsbild? Am Ende sollen alle zufrieden sein, die Nachbarn wie die Mieter.

Wie sehr müssen wir in neuen Modellen denken, in Wohngemeinschaften, Mehrgenerationenhäusern oder Betriebswohnungen?

Reichhart: All das wird zwingend sein. Arbeitgeber etwa müssen künftig mehr bieten, wenn sie das beste Personal haben wollen. Wir setzen deshalb darauf, dass der Bund die steuerrechtlichen Regeln ändert. Wer derzeit einem Mitarbeiter eine Betriebswohnung überlässt, muss das als geldwerten Vorteil versteuern. Das ist nicht Sinn der Sache. Da wird sich viel bewegen in den nächsten Jahren.


Sechs Jahre lang führte Hans Reichhart die Junge Union im Freistaat; im März 2018 wurde er Staatssekretär im Heimat- und Finanzministerium; im November 2018 machte ihn Markus Söder zum Bauminister. Jetzt will er Landrat in Günzburg werden.

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