Eindringlicher Appell

Bayerns Ethikrat kritisiert die Politik und fordert eine Impfpflicht für viele

18.11.2021, 12:22 Uhr
Geht es nach dem bayerischen Ethikrat, gibt es bald eine Impfpflicht für viele Berufsgruppen.

© Steffen Schellhorn, epd Geht es nach dem bayerischen Ethikrat, gibt es bald eine Impfpflicht für viele Berufsgruppen.

Es ist kein gutes Zeugnis, das der bayerische Ethikrat der Politik ausstellt. Sie handele zu zögerlich, zu wenig konsequent in der aktuellen Phase der Pandemie, deren Wucht sie unterschätzt habe.

Schon im Juni dieses Jahres, darauf verweisen die Autoren, hatte der Rat gewarnt, "wie im Jahr 2020 die Aufmerksamkeitsspannung bei der Bewältigung der Pandemie und ihrer Folgen aus dem Blick zu verlieren und dann im Herbst von absehbaren Entwicklungen überrascht zu werden".

Vorgewarnt

Es war ein prophetischer Satz. Aktuell beruft die Politik sich darauf, niemand habe sie vorgewarnt oder die Entwicklung vorhergesagt. "In der Bevölkerung, aber auch unter politischen Entscheidern, hat sich der Eindruck breit gemacht, die Pandemie sei vorbei." Jetzt "geben sich die Meisten überrascht". Nach Ansicht der Autoren hätte die Politik vorgewarnt sein müssen.

Was nun bleibe sei "eine drastische Abnahme der Ungeimpften". Die Impfung verhindere zwar "nicht unbedingt eine Infektion, bietet aber doch einen signifikant höheren Schutz vor schweren Krankheitsverläufen" und verhindere damit in der Folge einen Zusammenbruch des Gesundheitssystems. Allerdings hätten alle Appelle bislang wenig gebracht. Das Gremium aus Wissenschaftlern, Ethikern und Theologen fordert deshalb drastische Maßnahmen. Es sei bedenklich, dass sich "ein zu großer Teil der Bevölkerung" gegen das Impfen entscheide, "und das mit einer Mischung aus Nichtwissen über die individuellen medizinischen Risiken einer Impfung und einem allzu abstrakten Diskurs über individuelle Freiheitsrechte".

Breite Impfpflicht

Die Politik müsse deshalb eine Impfpflicht zumindest für bestimmte Berufsgruppen prüfen. Der Ethikrat geht dabei allerdings weit über das hinaus, was derzeit die Politik diskutiert. Die Pflicht sollte nach seiner Auffassung nicht nur die Pflegeberufe erfassen, sondern alle Berufe mit einem Kunden- oder Klientenkontakt. Das träfe "medizinische, pflegerische, therapeutische Berufe, Einzelhandel, Gastronomie, Hotellerie, Polizei, Justiz etc.". Zudem wollen die Ratsmitglieder "eine generelle Impfpflicht für die gesamte Bevölkerung als äußerste Möglichkeit" nicht ausschließen.

Weiter begrüßen die Autoren zwar, dass Lockdowns, Schulschließungen und ähnliches ausgeschlossen bleiben soll. Sie warnen aber, dass sich die Pandemie "mit halbherzigen und inkonsequenten Regeln definitiv nicht" beherrschen lasse. Deshalb fordern sie "eine strikte und rigorose Handhabung geeigneter Instrumente". Das sei etwa die 2G-Plus-Regel "in allen Bereichen, in denen sich Menschen unterschiedlichehr Haushalte treffen". 3G-Plus könne "nur dort toleriert werden, wo existenzielle Bedarfe gedeckt werden", etwa im Lebensmittelhandel oder in Arztpraxen.

Niemanden ausgrenzen

Den Mitglieder des Ethikrates ist wichtig, dass sie Ungeimpfte weder ausgrenzen noch an den Pranger stellen wollen. Ihnen sie es lieber, die Menschen ließen sich freiwillig impfen. "Die Erfahrung zeigt aber, dass allein darauf nicht gesetzt werden darf." Gefragt sei "die Solidarität aller mit den verletzlichen Gruppen der Gesellschaft". Der Ethikrat würdigt "ausdrücklich die hohe Bereitschaft vieler Mitmenschen, sich an die Regeln zu halten und sich impfen zu lassen - auch aus Solidarität für andere."

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