Migration

Behördenfehler in Nürnberger Fall? Familienzusammenführung aus dem Sudan scheitert

20.6.2021, 20:16 Uhr
Frauen stehen vor einer notdürftig zusammengezimmerten Unterkunft im Flüchtlingslager Shagarab im Sudan.

© imago images/ZUMA Press, NNZ Frauen stehen vor einer notdürftig zusammengezimmerten Unterkunft im Flüchtlingslager Shagarab im Sudan.

Manchmal sind es nur wenige Stunden, die über das Wohl und Wehe eines Menschen entscheiden. Besonders schmerzhaft hat diese Erfahrung die junge Eritreerin Soliana (Name geändert) machen müssen, die vor etwa vier Jahren ihre Heimat im Osten Afrikas verlassen und nach ihrer Flucht in Deutschland Asyl beantragt hatte. Inzwischen lebt sie in Nürnberg, ist 18 Jahre alt und als subsidiär Geschützte anerkannt.

Diesen Flüchtlingsstatus erhalten jene, denen im Rahmen des Asylverfahrens weder der Flüchtlingsschutz noch die Asylberechtigung zuerkannt wurden, denen in ihrem Herkunftsland aber ein ernsthafter Schaden droht, etwa durch einen Krieg oder Bürgerkrieg. Das ist in Eritrea der Fall.

Flucht in den Sudan

Angefangen hatte die Odyssee der jungen Frau vor rund zehn Jahren, als sie noch ein Kind war. Zusammen mit ihrer Mutter und drei weiteren Geschwistern hatte sie ihre Heimat verlassen, weil ihr Vater von der Armee desertiert war. Solch ein Verhalten wird hart bestraft: Eritrea ist eine knallharte Diktatur, der sowohl Amnesty International als auch die UN schwere Menschenrechtsverletzungen vorwerfen. Solianas Familie wurde unter Druck gesetzt, den Aufenthaltsort des Vaters zu nennen und ergriff letztlich die Flucht, um dem zu entgehen und ihn zu schützen. Vorläufige Endstation war ein Flüchtlingscamp im benachbarten Sudan.

Im Teenager-Alter gelang Soliana alleine die Flucht nach Deutschland. Als Vormund stand der jungen Afrikanerin bis Ende letzten Jahres die Nürnbergerin Priscilla Hirschhausen zur Seite. Sie stellte einen Antrag auf Familienzusammenführung. Der wurde nach längerer Zeit positiv beschieden, und die Mutter hatte kaum genügend Zeit, alle notwendigen Formalitäten zu erledigen und Papiere herbeizuschaffen. Sie schaffte es dennoch. Gleichzeitig überwies die Tochter das nötige Geld für die Flugtickets. Der Ausreise stand also nichts mehr im Weg.

Doch es lief etwas schief: Die Visa, die zur Ausreise nach Deutschland berechtigten, waren nur für die Dauer von drei Tagen ausgestellt worden. Und so wurde Solianas Mutter vom Sicherheitspersonal nicht in den Flieger gelassen, weil die Papiere nur bis 24 Uhr gültig waren, der Flug aber erst um 3 Uhr morgens in Frankfurt angekommen wäre.

Gesetzeslage ist nicht eindeutig

"Ich hatte die deutsche Botschaft in Khartum mehrmals angeschrieben und angerufen und schon im Vorfeld darum gebeten, dass das Visa für mindestens fünf Tage ausgestellt wird, da es so überhaupt keinen Sinn macht", erinnert sich Priscilla Hirschhausen. Aber sie erhielt nie eine Antwort.

Und nun hat sich die Rechtslage etwas geändert, weil Soliana inzwischen volljährig ist. Aber: Das Gesetz sagt nicht eindeutig, dass ein Antrag auf Familienzusammenführung ab dem Erreichen des 18. Lebensjahrs zwingend eingestellt werden muss. "Es gibt kulante und weniger kulante Botschaften", weiß Priscilla Hirschhausen aus ihrer langjährigen Praxis mit solchen Fällen. "Somit hängt die Entscheidung vom Sachbearbeiter vor Ort ab. In Fall Soliana wollte die Botschaft am 18. Geburtstag nach dem Drama am Flughafen nochmal ein Ausreisevisum beantragen, hat aber anscheinend nicht schnell genug Antwort bekommen. Daher wurde die Anfrage eingestellt und die Mutter damit vertröstet, dass man ihr nicht weiterhelfen könne", schildert sie.

"Wir sind entsetzt über das Vorgehen der Botschaft und bitten um ihre Hilfe, die Mutter jetzt auch noch nach dem 18. Geburtstag nach Deutschland zu holen, da sie das Visa schon rechtmäßig hatte und bereits alles für die Familienzusammenführung vorbereitet war", sagt Hirschhausen.

Das Auswärtige Amt hat sich in der Angelegenheit bislang recht sperrig gegeben – selbst nach einer Nachfrage der Nürnberger Bundestagsabgeordneten Gabriela Heinrich (SPD). Daraufhin wandte sich Priscilla Hirschhausen direkt an den Bundespräsidenten und bat um Unterstützung. Doch aus Schloss Bellevue kam die Antwort, dass man in der Sache nichts tun könne, weil allein das Auswärtige Amt zuständig sei.

Dass diese Geschichte wegen verwaltungstechnischer Formalia kein gutes Ende nehmen soll, möchte Priscilla Hirschhausen nicht akzeptieren. "Ich fände es unendlich schade, wenn die Mutter ihre Tochter nach all den Jahren nicht in die Arme schließen dürfte, obwohl sie legal alles Erdenkliche dafür getan hatte und schon am Check-In-Schalter war, bereit zur Ausreise, mit allen nötigen Erfordernissen."