Genf

Biden trifft Putin: Kein Gipfel unter Gleichen

16.6.2021, 17:20 Uhr
Treffen in Genf: Wladimir Putin und Joe Biden.

© Mikhail Metzel via www.imago-images.de, imago images/ITAR-TASS Treffen in Genf: Wladimir Putin und Joe Biden.

Es ist wahrscheinlich eine mittelgroße Fehleinschätzung zu glauben, Wladimir Putin hätte sich tatsächlich beleidigt oder gar gedemütigt gefühlt, als ihn Joe Biden einen Killer nannte. Arbeitet der Kremlchef doch seit Jahren unermüdlich an dem Selbstbild des ebenso knallharten wie kaltblütigen Anführers, der die Interessen seines Landes kompromisslos verteidigt. Ein Bild, das zuletzt immer mehr zu einem Zerrbild geriet (und dennoch, das aber nur nebenbei bemerkt, erstaunlicherweise auch manche Deutsche in seinen Bann zieht).

Für Putin ist der Gipfel von Genf schon jetzt ein Erfolg, als er ihm ermöglicht, die Illusion aufrecht zu erhalten, er und sein Land seien nach wie vor auf Augenhöhe, seien nach wie vor der große Gegenspieler des liberalen Westens. Die für Moskau unangenehme Wahrheit ist: Russland ist schon lange nicht mehr auf Augenhöhe mit Amerika.

Die Zeiten, in denen sich die US-Außenpolitik an Moskau ausrichtete, sind lange vorbei. Der Aufstieg Chinas, die größte geopolitische Herausforderung des 21. Jahrhunderts, ist es, der Joe Biden, der Amerika umtreibt. Russland ist auf globaler Ebene da allenfalls ein Störfaktor.

Obamas Aussage traf Putin weit mehr

Wladimir Putin hat die verminderte Rolle seines Landes im Spiel der Weltmächte nie wahrhaben wollen. Das ist es auch, weshalb ihn die Aussage Barack Obamas, Russland sei bloß mehr eine "Regionalmacht", weit mehr getroffen haben dürfte als die Bezeichnung als "Killer" - weil sie den Kern seines Selbstbildes als Führer einer großen Nation traf.

Doch für Putin geht es um mehr als Eitelkeit, es geht auch um den Erhalt seiner Herrschaft. Einer Herrschaft, die in ihrem dritten Jahrzehnt - das zeigen das harte Vorgehen gegen Alexej Nawalny und der Bau eines Prunkpalasts am Schwarzen Meer - zunehmend autoritär und dekadent wird.

Das Feindbild Amerika ist für Putin äußerst nützlich: Dass eine vermeintliche Bedrohung von außen das Volk im Inneren und selbst manch Unzufriedene aus Patriotismus hinter den Präsidenten schart, gehört zum Standardrepertoire der Staatskunst. Anders formuliert: Wladimir Putin ist auf Joe Biden, den er jüngst großspurig als Greis zeichnete, dem er gute Gesundheit wünsche, weit mehr angewiesen als der auf ihn.

Moskau hat beträchtliches Destabilisierungspotenzial

Was nicht heißt, dass sich Konflikte damit lösen ließen, Russland links liegen zu lassen. Das Destabilisierungspotenzial Moskaus ist nach wie vor beträchtlich - das zeigen die Lage in der Ostukraine und die Versuche des Kreml, durch Wahlmanipulationen Demokratien zu entzweien. Umgekehrt ist gemeinsam mit Moskau einiges möglich, gerade in Fragen der Abrüstung.


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Joe Biden hat deshalb gut daran getan, Putin mit dem Gipfel den Respekt zu erweisen, nach dem er so giert. Ein Gipfel unter Gleichen aber, das ist der Gipfel von Genf sicher nicht.

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