Brüssel sagt hohen Strompreisen den Kampf an

23.1.2014, 18:26 Uhr
Brüssel sagt hohen Strompreisen den Kampf an

© Arno Burgi (dpa)

Hat die EU-Kommission den Mitgliedstaaten wirklich ambitionierte Ziele gesetzt?

Die Zahlen klingen nicht danach. Zwischen 2020 und 2030 soll der Anteil der Energie aus erneuerbaren Quellen von sieben auf dann 27 Prozent erhöht werden. Der CO2-Ausstoß muss um 40 Prozent zurückgeführt werden. Aber das Kleingedruckte ist auch in diesem Fall wichtig. Bisher wurde es der Energiebilanz der Mitgliedstaaten nämlich angerechnet, wenn sie in einem Drittstaat Kohlendioxid-Emissionen verhindern halfen — beispielsweise durch den Einkauf von Strom aus regenerativen Quellen. Dies fällt nun weg. Experten sprechen deshalb davon, dass die Mitgliedstaaten ihre (eigenen) CO2-Emissionen um rund 45 Prozent abbauen müssen, um die Vorgabe der Kommission zu schaffen.

Für die Energieeffizienz hat man sich kein neues Ziel gesetzt?

Nein. Gespräche darüber soll es im Herbst geben. Aber die Neigung, sich dann auf eine konkrete Marke zu verständigen, scheint sehr gering zu sein.

Die Mitgliedstaaten können künftig selbst festlegen, wie viel erneuerbare Energie sie nutzen. Warum lässt man ihnen so viel Spielraum?

Dafür gibt es zwei wichtige Gründe. Zum einen setzen die 28 Mitgliedstaaten höchst unterschiedliche Akzente, wie sie an Strom und Wärme kommen. So laufen beispielsweise nur in 14 EU-Staaten noch Atommeiler. Einige Länder sind bereits zu einem hohen Anteil auf alternative Quellen wie Wasserkraft umgestiegen. Da macht es - so argumentiert die Kommission - keinen Sinn, nationale Vorschriften zu erlassen. Hinzu kommt aber ein weiterer Punkt: Jedes Land kann uneingeschränkt selbst entscheiden, ob es auf Atomkraft, Windenergie oder Kohle setzt. Ein weitergehender Eingriff Brüssels würde zu rechtlichen Problemen führen.

Was will man denn konkret tun, um die Wirtschaft stärker zu beteiligen?

Das Schlüssel-Instrument dafür ist der Emissionshandel. Dabei sollen Betriebe, die CO2 emittieren, Verschmutzungs-Bons kaufen müssen - oder eben in CO2 arme Produktionsverfahren investieren. Diese Steuerung funktioniert aber nur, wenn die Tonne CO2 etwa 30 Euro kostet. Derzeit liegt der Preis bei fünf Euro. Deshalb will die Kommission das Recht haben, bei einem Preisverfall Emissionszertifikate zeitweise vom Markt zu nehmen, um den Preis in die Höhe zu treiben.

Das Verfahren nennt sich Backloading. Gedacht ist nach 2020 an maximal zwölf Prozent der Papiere, die man zurückhalten kann.

Wie steht Brüssel zum sogenannten Fracking, also dem Aufbrechen von Gesteinsschichten, in denen Gas liegt?

Bisher gibt es keine entsprechenden Anlagen in Europa, aber großes Interesse an dieser neuen Technologie. Die EU-Kommission zeigt sich in ihrem Klimaschutz-Paket offen, fordert aber umfassende geologische Voruntersuchungen, die mögliche Bodenschäden vermeiden sollen. Außerdem betont man in Brüssel, dass die Bevölkerung unbedingt informiert und in die Entscheidung einbezogen werden solle.

Die deutsche Energiewende und der EU-Klimaschutz haben für den Verbraucher vor allem drastisch gestiegene Strompreise gebracht. Hält sich Brüssel da wirklich vollkommen zurück?

Nein, denn man sieht sehr wohl die Gefahr, dass die Energiepreise die dringend nötige Erholung der Konjunktur wieder auffrisst - gerade weil die Verbraucher ihr Geld in Strom und Wärme investieren müssen, anstatt zu konsumieren. Tatsächlich sind die Energiepreise in der EU inzwischen vier Mal so hoch wie in den USA, wo sie sogar fallen. Das Gegenrezept der Kommission heißt Energiebinnenmarkt.

Die Länder sollen also nicht auf Insel-Lösungen (wie Deutschland mit seiner Energiewende) setzen, sondern auf dem EU-Markt vorhandenen Strom einkaufen. Außerdem will man mehr Konkurrenz ermöglichen, weil Wettbewerb in jedem Wirtschaftsbereich die Preise sinken lässt.

Was passiert denn nun mit den Vorschlägen der Kommission?

Sie werden zunächst beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs im März diskutiert und dann - möglicherweise in abgeänderter Form - beschlossen. Anschließend muss noch das Europäische Parlament zustimmen. Dort macht man sich bereits auf massiven Widerstand gefasst. Denn ein Großteil der Abgeordneten will auf ambitionierteren Vorgaben für die gesamte EU bestehen und somit die Freiheit der einzelnen Mitgliedstaaten einschränken. Ob das alles aber noch vor der Europawahl im Mai zu Ende gebracht werden kann, erscheint unwahrscheinlich.

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