Coronavirus: Eine Welt, das gleiche Problem

9.5.2021, 09:18 Uhr
Coronavirus: Eine Welt, das gleiche Problem

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Für chinesische Verhältnisse nicht weit von der Stadt Wuhan entfernt leben Madhu Krishnan und Stephanie Northcott. Die beiden Juristen kommen aus Großbritannien und sind schon vor dem Ausbruch des Coronavirus beruflich nach Hongkong gezogen. "Das Virus wurde von Beginn an sehr ernst genommen. Bereits im Dezember 2019 haben alle nach Wuhan geblickt", berichten die bei-den. Niemand verharmlose den Ernst der Lage: "Viele können sich noch gut an die SARS-Epidemie 2003 erinnern und wie sie unter Kontrolle gebracht wurde, etwa durch das Tragen von Masken." Die Einwohner Hongkongs befolgen die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung daher mit einer Art Selbstverständlichkeit, schlussfolgert Madhu: "Mit der Erinnerung im Hinterkopf verzichten die Leute bereitwillig auf einige ihrer Freiheiten."

"Das war unverantwortlich"

Zwar gibt es Kontaktbeschränkungen und viele Einrichtungen sind geschlossen. Aber die rund 7,5 Millionen Einwohner der Stadt hatten weniger harte Lockdowns, wie es die beiden von Freunden und Familie in anderen Ländern mitbekommen. Einschränkung der Bewegungsfreiheit gebe es nur im Sonderfall: Ende Januar mussten sich die Bewohner von 200 Gebäuden einem Covid-Test unter-ziehen und durften bis zum Ergebnis das Areal nicht verlassen. Wer zudem nach Hongkong einreist, muss sich für drei Wochen in Hotel-Quarantäne begeben – auf eigene Kosten.

Corona hat auch bei Stephanie und Madhu einiges durcheinander geworfen: "So weit weg von unseren Familien zu sein, hat das vergangene Jahr nicht leichter gemacht. Wir mussten außerdem unsere Hochzeit absagen, die wir vergangenen August in England geplant hatten. Mittlerweile haben wir sie erneut verschoben."

Auf der anderen Seite des Pazifiks, in Mexiko, lebt Antonio Borja Camacho. Der studierte Ökonom und Staatswissenschaftler, der seinen Masterabschluss in Deutschland absolviert hat, lehrt in seiner Heimat Querétaro am Instituto Tecnológico y de Estudios Superiores de Monterrey. Die Regierung habe Corona zunächst nicht ernst genommen: "Unser Präsident meinte, dass Virus sei wie eine Erkältung und niemand müsse sich Sorgen machen. Das war unverantwortlich." Für die Kontrolle der Schutzmaßnahmen - ähnliche wie in Deutschland - fehle es dem Staat aber an Ressourcen.

"Die Angst vor einer Ansteckung hat da mehr bewirkt", schlussfolgert Antonio. Mittlerweile achten aber viele nicht mehr auf die Regeln, wie er beobachtet. Daran habe auch die sich rasch verbreitende Brasilianische Virus-Variante nichts geändert.

Staatliche Wirtschaftshilfen sind laut dem Ökonomen mäßig bis nicht vorhanden: "Wir sind zwar keine Industrienation, aber Schwellenland – und nicht so arm, dass wir keinen finanziellen Stimulus geben könnten. Mit einer anderen Regierung wäre da mehr möglich." Auch beim Thema Impfungen stellt der Staatswissenschaftler der Regierung kein gutes Zeugnis aus. Mittlerweile laufen diese zwar an, aber zu lange sei nichts passiert.

Noch mehr schockiert ihn, dass der Impfstoff für Propaganda missbraucht wird: "Dieses Jahr wird in 15 Bundesstaaten gewählt und die Politiker nutzen die Impfung als Wahlkampfversprechen." Journalisten hätten zudem herausgefunden, dass sich einige Regierungsmitglieder bereits haben impfen lassen – vor dem Gesundheitspersonal.

Neben der Untätigkeit und dem Kontrollverlust der Regierung sind Antonios Ansicht nach die Menschen ein weiteres großes Problem. "Solange wir nicht selbst betroffen sind, verhalten wir uns unvernünftig. Vielen fehlt das Verständnis, dass die Erkrankung auch langfristige Folgen haben kann."

Südafrika ist seit Beginn der Krise schwer vom Coronavirus getroffen. Dort mutierte es auch zur Variante B.1.351. In Johannesburg lebt Avril Mafemba mit ihrem Mann und dem gemeinsamen Sohn. Die mit knapp sechs Millionen Einwohnern größte Stadt des Landes ist dicht besiedelt und bietet dem Virus optimale Verbreitungsmöglichkeiten.

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Die Pandemie macht vor allem die noch immer herrschende Ungleichheit und enorme Kluft zwi-schen Arm und Reich deutlich, die Südafrika schon seit der Apartheit prägt. "Die reichen Menschen können sich ‚social distancing‘ leisten", sagt Avril nüchtern. Weniger wohlhabende leben in den Townships dicht nebeneinander. Wer kein Auto hat, ist auf die vollen Sammeltaxis angewiesen: "Sie haben keine andere Wahl, als eine Ansteckung in Kauf zu nehmen."

Auch im Homeoffice und beim Unterricht von zuhause aus wird der Klassenunterschied sichtbar. Internet-anschluss und Laptop sind keine Selbstverständlichkeit. "Privatschulen können ihren Schülern die Geräte für den Online-Unterricht stellen und Reiche haben natürlich Wlan zu Hause. Kinder aus ärmeren Verhältnissen haben ein ganzes Schuljahr verloren und auch das aktuelle steht auf der Kippe", verdeutlicht Avril.

Die Südafrikaner sind sehr lebensfroh und gesellig. Einschnitte im kulturellen Bereich und im öf-fentlichem Leben wurden daher als äußerst hart empfunden. Mittlerweile nehmen die Menschen das Virus aber sehr ernst, ist Avril überzeugt: "Die Akzeptanz für Masken und Schutzmaßnahmen ist gestiegen. Auch, weil viele Angehörige und Freunde an Corona haben sterben sehen. Das war wie ein Weckruf."

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