Delfine als Zugpferde

22.7.2011, 13:00 Uhr
Delfine als  Zugpferde

© Matejka, Karmann

Die Zahlen waren vor drei Jahren der große Aufreger, denn Experten hatten die Lagune nur mit 10,3 Millionen Euro berechnet. Die Planer entschieden sich jedoch für eine erheblich teurere Wassertechnik und einen anspruchsvolleren Landschaftsbau. Im Nürnberger Stadtrat gab es zwar eine deutliche Verstimmung über die Kostenexplosion, doch die Mehrheit drückte den Entwurf durch.

Lagune und Manatihaus sind das neue Aushängeschild des Nürnberger Tiergartens. Jeder Zoo braucht ein Zugpferd, etwas Unverwechselbares: Als die Elefantenhaltung nach fast einem Jahrhundert zu Ende ging, lief alles auf die Delfine als Sympathieträger hinaus. Tümmler gibt es in Deutschland längerfristig nur mehr im Duisburger Zoo, die Anlage in Münster wird geschlossen.

Proteste der Tierschützer

Weil der Tiergarten alles auf die Trumpfkarte Delfin setzte, zog er bundesweite Kritik von Tierschützern auf sich. So sind auch zur Eröffnung Protestaktionen geplant: Mit einem großen Transparent „Delfinarien schließen — artgerecht ist nur das Meer“ demonstriert der Verein „Menschen für Tierrechte“, wenn bei einem gesonderten Termin in acht Tagen Ehrengäste die neue Tümmler-Heimat begutachten.

„Die Wasserfläche ist mit knapp 1600 Quadratmetern gerade einmal so groß wie ein Viertel Fußballfeld“, kritisiert Cornelia Schamicke von „Menschen für Tierrechte“, „es liegt auf der Hand, dass dies für Tiere nicht artgerecht ist, die am Tag bis zu 150 Kilometer weit schwimmen und bis zu 300 Meter tief tauchen.“ Im Winter sind von sechs Becken nur zwei für die Meeressäuger zugänglich, dadurch wird es noch einmal deutlich enger. Außerdem bezweifelt Schamicke, dass die Lagune Besucher für die Lebensbedingungen der Delfine in den Weltmeeren sensibilisiert. „Das hat schon bei Eisbär ,Flocke‘ nicht geklappt“, meint die Aktivistin.

„Ich bin erbost und allmählich auf Krawall gebürstet“, erklärt Nürnbergs Tiergarten-Direktor Dag Encke zu den endlosen, sich immer wiederholenden Diskussionen um die Lagune. „Es gibt kein von der Sache her begründetes Argument gegen die Anlage, sondern nur Behauptungen“, meint der Zoologe. So sei nicht Bewegungsdrang die Ursache, wenn Delfine lange Strecken zurücklegen. Vielmehr sei Futtersuche die Antriebsfeder. Es gebe auch Tümmler in äußerst eng umrissenen Lebensräumen.

Er gesteht ein, dass die Zuchterfolge in Nürnberg seit über einem Jahrzehnt ausgeblieben sind. Wenn man jedoch alle 235 Tümmler in den über 30 europäischen Delfinarien einbezieht, so der Tiergarten-Chef, liegt die Quote der Nachzuchten schon bei 61 Prozent.

Bereits einige Tagen bevölkern Seelöwen und Delfine ihr neues Zuhause. So ganz geheuer ist ihnen die ungewohnte Umgebung nicht: Sie verlassen ihr überschaubares Eingewöhnungs-Becken nur für Sekunden und kehren rasch wieder zurück. Die Betreuer setzen darauf, dass sich die Meeressäuger ganz allmählich akklimatisieren. Speziell bei den Delfinen werden die Atemfrequenz und der Kortisol-Spiegel beobachtet. Die Tümmler schütten Kortisol bei Stress aus, die Konzentration lässt sich seit neuestem auch im Speichel nachweisen. Bislang waren Blutproben nötig. Eine Studentin notiert die Kortisolwerte der „Flipper“ seit Monaten.

Encke setzt darauf, dass die Lagune günstigere Bedingungen bei der Nachzucht bietet als die alte Anlage. Das soziale Lernen sei künftig besser möglich. Er verweist auf Nürnbergs Delfin Nynke, die ihre ersten beiden Jungtiere verloren hatte. Ihr drittes Junges hat sie bei einer Gruppe im niederländischen Delfinarium von Harderwijk aufgezogen. „Da konnte sie sich das Verhalten anderer Mütter abschauen und sie kümmert sich erfolgreich um ihren Nachwuchs“, so der Zoo-Chef.

Die Chance sieht er nun auch in Nürnberg. Doch eine Gewissheit gibt es nicht, das Experiment Lagune könnte auch scheitern, räumt er ein: „Keiner kann in die Zukunft schauen. Doch ich halte das Risiko für minimal“, meint der Tiergarten-Direktor, man habe alle wesentlichen Punkte berücksichtigt. Es werde aber auch in Zukunft tote Delfinkälber geben. Dass Jungtiere sterben, sei normal.

Eine Vorhersage ist aber sicher nicht falsch: Die Lagune wird teurer als geplant. Die Tiergarten-Leitung räumt auf Anfrage ein, dass mit „selbst verursachten Mehrkosten“ in Höhe von mindestens einer halben Million Euro zu rechnen ist. Es dürfte aber noch deutlich mehr werden. Viele Nachforderungen von Handwerkern stehen aus.