Der Schlüssel liegt in Moskau

22.10.2019, 20:23 Uhr
Der Schlüssel liegt in Moskau

© Uncredited/DHA/dpa

So sieht also europäische Außenpolitik im Jahr 2019 aus: Der Nato-Staat Türkei marschiert ohne völkerrechtliche Grundlage in Syrien ein, und weder der Allianz noch den EU-Staaten fällt mehr dazu ein, als betroffen zuzusehen und mahnend den Finger zu heben. Erst jetzt, einen Tag vor dem Ende einer von den USA erzwungenen Feuerpause, bringt die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer eine international kontrollierte Sicherheitszone in Nordsyrien ins Spiel. Der Vorschlag ist ein Offenbarungseid. Er ist weder mit dem Außenminister abgesprochen (Heiko Maas wurde per SMS informiert) noch mit Frankreich, noch mit der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini (ist die eigentlich noch im Amt?), noch mit der Nato. Nur mit der Kanzlerin.

AKKs Idee kommt nicht nur viel zu spät, sie ist auch völlig unrealistisch. Eine internationale Eingreiftruppe würde voraussetzen, dass Syrien zustimmt – und dafür gibt es wenig Anzeichen. Auch Russland, der große Partner, der den syrischen Machthaber Baschar al-Assad im Amt hält, hat wenig Interesse, ausgerechnet jetzt die Europäer mitreden zu lassen, wo sich mit dem Abzug der USA die Dinge in seine Richtung entwickeln.

Gewiss, ausgelöst hat diese jüngste Krise US-Präsident Donald Trump, der aus rein innenpolitischen Gründen seine Soldaten aus Nordsyrien abgezogen hat. In dieses Vakuum stößt jetzt der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan vor. Schon Trumps Vorgänger Barack Obama hatte die Europäer vor Jahren aufgefordert, sich stärker in Syrien zu engagieren – vergeblich. Alle duckten sich weg.

Nun ist zweifelhaft, ob damals die Einrichtung einer Flugverbots- oder Sicherheitszone realistisch gewesen wäre. Doch gar nichts zu tun und zu hoffen, es würde sich von selbst regeln, war eine politische Kapitulation. Es hätte auch andere Hebel gegeben. Nacheinander haben drei UN-Sonderbeauftragte aufgegeben, die alle verzweifelt versucht hatten, Unterstützung für eine große Regionalkonferenz zu erhalten. Die Amerikaner lehnten das ab und überließen die Einladung im Wesentlichen den Saudis – mit dem Ergebnis, dass der Iran stets außen vor blieb. So kann niemals ein Friedensabkommen erreicht werden.

Russland ist kein Ersatz

Es ist offenkundig: Die Europäer scheuen sich weiter, Erdogan zu brüskieren. Sie fürchten, er könnte tatsächlich die Flüchtlingslager öffnen und Hunderttausende Richtung Europa schicken. Doch so einfach ist das nicht. Für die Türkei ist die EU als Handelspartner absolut unverzichtbar. Russland, das politisch nun großen Einfluss hat, ist dafür kein Ersatz.

Andererseits kann Kremlchef Wladimir Putin kein Interesse haben, sich dauerhaft auch um diesen Krisenspot kümmern zu müssen. Es gäbe gemeinsame Interessen der Europäer und Russlands. Vielleicht sollte man doch wieder miteinander reden, nicht nur über Syrien. Der Schlüssel liegt in Moskau.

Verwandte Themen


1 Kommentar