Situation weiter brandgefährlich

Deutsche Spezialkräfte retten Münchner Familie aus Afghanistan

23.8.2021, 21:26 Uhr
Nach der Machtübernahme der Taliban wird weiter versucht, Menschen die Flucht aus dem Land zu ermöglichen. (Symbolbild)

© Daniel Young, dpa Nach der Machtübernahme der Taliban wird weiter versucht, Menschen die Flucht aus dem Land zu ermöglichen. (Symbolbild)

Der Evakuierungseinsatz der Bundeswehr in der afghanischen Hauptstadt Kabul wird immer gefährlicher. Am Montagmorgen wurden deutsche Soldaten vor dem Flughafen erstmals in ein Feuergefecht mit unbekannten Angreifern verwickelt. Eine afghanische Sicherheitskraft wurde dabei getötet, drei weitere verletzt. Weil der Zugang zum Flughafen immer schwieriger wird, ist die Truppe nun auch außerhalb des massiv gesicherten Geländes im Einsatz, um Menschen in Sicherheit zu bringen. Daran sind übereinstimmenden Berichten zufolge auch Elitesoldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) beteiligt.

Es bleibt nicht mehr viel Zeit für die Rettungsaktion. Die militant-islamistischen Taliban, die vor gut einer Woche die Macht in Afghanistan übernommen haben, wollen einer Verlängerung der Evakuierungsmission westlicher Staaten über den 31. August hinaus nicht zustimmen. Diese Frist sei eine "rote Linie", sagte ein Taliban-Sprecher dem britischen Nachrichtensender Sky News. "Wenn sie vorhaben, die Besatzung zu verlängern, wird das eine Reaktion hervorrufen".

Wegen der dramatischen Situation am Flughafen und der teils blockierten Zugänge ändert die Bundeswehr nun ihre Strategie und operiert auch außerhalb des geschützten Airports, um Menschen sicher zu den Evakuierungsflügen zu bringen. Es sei im Moment fast nicht mehr möglich, zum Flughafen zu gelangen, begründete Kramp-Karrenbauer den Schritt. "Deswegen müssen wir sehr viel stärker dazu übergehen, die Leute sozusagen abzuholen. Das tun wir."

Münchner Familie aus Kabul gerettet

Das Verteidigungsministerium bestätigte die Rettung einer Münchner Familie, die nach Berichten von Bild und Spiegel von Elitesoldaten des Kommando Spezialkräfte (KSK) in den Flughafen gebracht wurde. Bei der Geheim-Operation "Blue Light" hätten sich die deutschen Soldaten zu Fuß vorgearbeitet und eine 19-jährige Münchnerin, ihren kleinen Bruder und ihre Mutter gerettet, hieß es bei "Bild" unter Berufung auf Sicherheitskreise. Die Operation habe rund eine Stunde gedauert.

Laut Berichten des Spiegels hatte die Familie mehrmals versucht auf eigene Faust zum Flughafen zu gelangen, was zunächst misslungen war. Durch die Verlagerung der Rettungsaktion an ein weniger dicht gedrängtes Gate konnte die Familie vom KSK in Empfang genommen werden.

Die 19-jährige Münchnerin Samira* hatte bereits seit mehreren Tagen versucht, die Flucht ihrer Familie aus Kabul zu organisieren. Zunächst war unklar, ob ihre Mutter, die zwar seit Jahren in München lebt, aber keinen deutschen Pass besitzt, ebenfalls zurück nach Deutschland gebracht wird. Laut der Tochter habe das Auswärtige Amt zunächst mitgeteilt, dass nur die Kinder nach Deutschland kommen dürfen, einige Tage später ihre Meinung aber geändert.

Grünen Politikerin Jamila Schäfer kritisierte das Auswärtige Amt und warf ihm und auch Außenminister Heiko Maas vor, nicht klar genug zu kommunizieren und so wichtige Zeit zu verschwenden. Verzweifelte Menschen begeben sich so in gefährliche Situationen, immer wieder kam es in den vergangenen Tagen zu Todesfällen am Flughafen in Kabul.

Die Familie von Samira war von der Machtergreifung der Taliban bei einem Familienbesuch bei der Großmutter überrascht worden und saß in Kabul fest. Am Sonntagabend landete die Familie nun schließlich am Frankfurter Flughafen.

Bei der Bild spricht die 19-jährige Samira über ihre Erlebnisse in Kabul. Es sei "die schlimmste Woche ihres Lebens gewesen", sagt sie. Ihr kleiner Bruder sei verletzt worden, Waffen wurden auf sie gerichtet.

Auch die Rettung durch das KSK gestaltete sich dramatisch, da die Soldaten durch immer wieder erfolgte Handyanrufe kontrollierten, ob sich die Familie am anderen Ende befand. Am Flughafen ging jedoch das Handy aus, sodass der Kontakt kurzzeitig abbrach. Die Familie bewegte sich daraufhin zunächst blind auf das KSK zu.

Die 19-Jährige Münchnerin appelliert daran, möglichst schnell alle Deutschen aus Afghanistan zu retten, sie befänden sich in akuter Lebensgefahr. Zudem bedankte sie sich bei den Soldaten, die die Rettung ihrer Familie ermöglichten.

*Namen geändert

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