Reformbedarf

Deutschlands Kanzler: Acht Jahre sind genug

6.5.2021, 14:27 Uhr
Wirkt bisweilen amtsmüde: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

© Rainer Jensen, picture alliance / dpa Wirkt bisweilen amtsmüde: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Wer nachrechnet, wie lange Konrad Adenauer (14 Jahre), Helmut Kohl (16 Jahre) und Angela Merkel (ebenfalls 16 Jahre) zusammengenommen das Amt des Bundeskanzlers innehatten, landet bei einer erstaunlichen Zahl: 46 Jahre, also fast fünf Jahrzehnte. Diese Zeitperiode repräsentiert etwa zwei Drittel der Regierungszeit seit Bestehen der Bundesrepublik. Ist das nun ein Ausdruck von Stabilität und Verlässlichkeit? Oder stehen solche "Ewigkeits-Kanzler" für Machtverliebtheit, verkrustete Strukturen oder gar politische Lähmung?

Die Luft ist raus

Wer genau hinsieht, wird feststellen, dass zumindest bei Angela Merkel die Luft schon länger raus ist. Ja, sie ist nach wie vor eine Leitfigur der Union und hat bisweilen politische Erfolge verzeichnet. Und dennoch ist sie beinahe nur noch ein Schatten jener Person, die 1999 die CDU-Ikone Helmut Kohl vom Thron stieß und sich in der Folgezeit im von Männern dominierten politischen Haifischbecken von Berlin rigoros durchsetzte.

Eine große Visionärin war sie nie, eher eine unauffällige Moderatorin - was ihr unter anderem auf europäischer Ebene hoch angerechnet werden muss. Bei vielen kniffligen Fragen war es Angela Merkel, die es mit ihrer Beharrlichkeit nicht selten erreichte, dass wenigstens noch ein Minimalkonsens zustande kam, von dem aus man weitergehen konnte. Doch schon seit geraumer Zeit wirkt sie müde und erschöpft, scheint nur noch auf den September zu warten, wenn sie das Zepter endlich weiterreichen kann.

In der Flüchtlingskrise zeigte sie erst Mut, dann Führungsschwäche. Und auch bei der nächsten globalen Super-Herausforderung, dem Kampf gegen die Corona-Pandemie, hat sie nur sehr begrenzt überzeugt. All das sind Indikatoren, die dafür sprechen, die Kanzlerschaft auf zwei Amtsperioden zu begrenzen.

Das umzusetzen wäre nicht leicht: Es bräuchte eine Grundgesetzänderung, mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Doch die Vorteile liegen auf der Hand: Betrüge die maximale Amtszeit eines Kanzlers oder einer Kanzlerin acht Jahre, müssten beispielsweise potenzielle Nachfolger nicht wie bisher kleingehalten, sondern gefördert werden.

Außerdem wäre es weit weniger möglich, Entscheidungen oder Reformen auf die lange Bank zu schieben - zumindest in der zweiten Amtsperiode. Der in so manchen Politikfeldern zu beobachtende deutsche Schlendrian sorgt nicht unerheblich für Politikverdrossenheit im Volk. Anders ausgedrückt: Wer weniger Zeit hat, verspürt höheren Druck, politische Projekte durchzusetzen. Das sieht man beispielsweise in den USA, wo nahezu jeder Präsident in seiner zweiten Ägide bemüht ist, ein politisches Erbe zu hinterlassen, welches Bestand hat.

Platz für kreative Kräfte

Obendrein würde ein häufigerer Wechsel an der Spitze der Regierung die politische Szene beleben und jungen, kreativen Kräften Perspektiven eröffnen, die bislang nicht vorhanden sind - und dem Filz entgegenwirken, der sich aufbaut, wenn jemand zehn Jahre oder länger in verantwortungsvoller und einflussreicher Position sitzt. In Bayern war ein ähnlicher Vorstoß 2018 an der Opposition gescheitert: Markus Söder wollte erreichen, dass der Ministerpräsident nur zwei Amtszeiten im Chefsessel in der Staatskanzlei sitzen darf. Vielleicht kommt jetzt auch deshalb ein entsprechender Vorstoß auf Bundesebene aus den Reihen der CSU.

Fazit: Zwei Legislaturperioden, also acht Jahre, sind eine lange Zeit, in der sich viel bewirken lässt. Doch danach sollte Platz gemacht werden für jüngere, dynamische Kräfte, die auch mal unkonventionell denken und neue Bündnisse schmieden, sei es national oder international. Letztendlich ist Wandel schließlich das Merkmal einer lebendigen Demokratie. Der Bundeskanzler sollte da nicht außen vor stehen.

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