Die CSU will nicht mehr reden, die Opposition schon

13.7.2017, 20:45 Uhr
Die CSU will nicht mehr reden, die Opposition schon

© Fotos: Ralf Rödel, Horst Linke, Eduard Weigert

Es hat gedauert, ein mittleres internes Erdbeben ausgelöst und für öffentliche Irritationen gesorgt. Doch jetzt sind Bayerns Sozialdemokraten wieder auf Kurs, finden sie, dass die Polizei keine jungen Flüchtlinge aus Schulen holen darf. Und dass der Polizeieinsatz in Nürnberg gewaltig aus dem Ruder gelaufen ist, das finden sie jetzt auch.

Peter Paul Gantzer hat das anders gesehen, vielleicht sieht er es auch jetzt noch nicht wie seine Genossen. Gantzer ist Gast im Rechtsausschuss des Landtags. Er setzt sich vorne hin und hört, wie seine Kollegen argumentieren, wie Freie Wähler und Grüne. Und was die CSU so dazu zu sagen hat. Dann verschwindet er wortlos.

Die CSU will nicht mehr reden, die Opposition schon

Süffisant weisen die Abgeordneten der CSU darauf hin, dass sich die SPD-Vertreter zuvor im Innenausschuss "fast wörtlich" wie die CSU geäußert, dass die ein Schulasyl abgelehnt und sich hinter die Polizei gestellt hätten. So hat es Gantzer getan, im Namen seiner Partei. Doch der steht mit seiner Haltung in der Fraktion fast allein. "Wer junge Leute radikalisieren will", sagt etwa Parteifreund Franz Schindler, "der muss es machen wie die Polizei in Nürnberg." Es zeige sich, sagt die Nürnberger Grünen-Politikerin Verena Osgyan, "dass der Einsatz alle Schüler hochgradig verunsichert hat. Sie wissen nicht, wie sie sich künftig verhalten sollen." Im Übrigen, sagt ihre Kollegin Margarete Bause, hätten sich jetzt auch Opfer des Einsatzes an die Polizei gewandt.

Geringer Unterschied

Anfangs, da sind sich auch diesmal wieder alle einig, sei der Einsatz noch gut gelaufen. Doch mit dem Eintreffen einer Spezialeinheit aus Erlangen habe sich schlagartig alles geändert, glaubt die Opposition. Die Erlanger Einheit war früher Teil des USK, ehe sie als eigenständiger Einsatzzug ausgegliedert wurde. Seitdem weichen Ausrüstung und Uniform zwar voneinander ab; doch der Unterschied ist so gering, dass ihn nur Insider erkennen.

Die regierungstragende CSU folgt der Opposition nicht. Ihre Fürther Abgeordnete Petra Guttenberger spricht von "Behauptungen". "Damit aber wird es der Realität nicht gerechter und der Inhalt nicht wahrer." Doch so sei das: "Jeder darf sich seine kleine Geschichte zimmern."

Ginge es nach der CSU, das Thema wäre längst in der Versenkung. Für ihre Vertreter ist der Fall geklärt; sie wollen nicht nachfragen, am liebsten nicht mehr darüber reden. Also rufen sie im Ausschuss dazwischen, wenn Oppositionspolitiker das Wort ergreifen, verweisen sie auf Hamburg, wo die Polizei, anders als in Nürnberg, die linken Krawallmacher nicht im Griff gehabt habe, schieben sie die Schuld auch Asef N. zu, dem jungen Afghanen, der am Abend jenes Tages nach Kabul hätte reisen sollen. N. ist der Buhmann für die Gegenseite. Er habe die Behörden hingehalten, sagen Innenministerium und CSU, habe sich nicht um Ausweispapiere gekümmert. Ein Witz, findet die SPD. "Die Behörden haben von ihm die Reife und Einsichtsfähigkeit zur freiwilligen Ausreise verlangt", sagt Alexandra Hiersemann, Erlanger SPD-Abgeordnete, "obwohl er minderjährig war."

Die CSU will nicht mehr reden, die Opposition schon

Die CSU ficht das nicht an. Für sie steht außer Frage, dass der junge Afghane abgeschoben gehört hätte. Und sie hat auch kein Problem damit, dass die Polizei ihn in der Schule abgeholt hat. Das müsse zwar die Ausnahme bleiben, heißt es. "Aber er hat sich ja entzogen, er hat sich versteckt", sagt Jürgen Heike. Woher er das weiß, sagt er nicht. Von den Vertretern des Innenministeriums jedenfalls hat er es nicht, die lediglich berichtet hatten, Asef N. sei am Morgen der Abschiebung nicht in seiner Unterkunft gewesen, wohl aber in der Schule. Was die Grünen dann doch für ein eher albernes Versteck hielten.

Umgekehrt wird nicht ganz klar, woher SPD und Grüne wissen, dass mittlerweile mehrere Schüler ihre Verletzungen bei der Polizei angezeigt hätten, die sie bei dem Einsatz erlitten haben sollen. Im Polizeipräsidium Mittelfranken sei davon nichts bekannt, sagen Sprecher auf Anfrage. Weder dort noch bei der Staatsanwaltschaft oder dem Landeskriminalamt läge bislang auch nur eine Anzeige vor.

Ohne Recht?

Horst Arnold, SPD-Abgeordneter aus Fürth, kann ohnehin das Vorgehen nicht nachvollziehen. Weder habe die Regierung von Mittelfranken eine Rechtsgrundlage gehabt – was ihre Sprecher wie die des Innenministeriums bestreiten –, noch sei es nötig gewesen, dass die Polizei in die Schule geht. "Wenn ich so etwas über zehn Tage plane", sagt Arnold, "kann ich das doch umgehen und muss nicht in der Schule zugreifen." Im Übrigen hätten zwei Gerichte einen Abschiebehaftbefehl gegen den Mann abgelehnt. Das lasse tief blicken.

Am Ende läuft es wie immer: Die CSU stimmt gegen den Antrag der Freien Wähler, SPD und Grüne stimmen für ihn, was nicht reicht. Und so wird die Polizei weiter junge Flüchtlinge mit dem Segen der CSU aus der Schule holen dürfen, wenn ihre Abschiebung ansteht, dürfte Asef N. nicht der Letzte gewesen sein.

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