Die Klimapolitik der GroKo ist mutlos und planlos

7.10.2019, 09:41 Uhr
Kundgebung von Fridays for Future und der Nichtregierungsorganisation Campact gegen die Klimapolitik der Bundesregierung vor dem Bundeskanzleramt in Berlin.

© Christoph Soeder, dpa Kundgebung von Fridays for Future und der Nichtregierungsorganisation Campact gegen die Klimapolitik der Bundesregierung vor dem Bundeskanzleramt in Berlin.

"Kein Pillepalle mehr" in der Klimapolitik: Das sagte Angela Merkel Anfang Juni, nach dem Einbruch auch ihrer CDU bei der Europawahl. Das sah nach einer konsequenteren Umweltpolitik aus, nach der Rückkehr der kurzfristigen "Klimakanzlerin". Doch falls die Große Koalition ihr Klima-Paket nun tatsächlich abschwächt und aufweicht, dann liefert sie genau das, was Merkel nicht mehr wollte: Pillepalle.


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Es gibt Gründe für diese Mutlosigkeit der Politik. Ein ganz wichtiger Grund ist die Angst vor wütenden Wählern. In der Tat formiert sich eine Art Gegen-Bewegung zu den jungen Aktivisten von Fridays for Future. Und Greta Thunberg, die unerbittlich und mit guten Argumenten auf ernsthafte Taten gegen den Klimawandel drängt, wird zur Hassfigur für viele, die nach wie vor glauben, es brauche diese Taten nicht.

Es ist verständlich, wenn Menschen keine Änderungen wollen. Wir haben uns ja alle gut eingerichtet in unserem vergleichsweise hohen Wohlstand. Dass der auch durch den Raubbau an Natur und Umwelt und durch menschenunwürdige Arbeitsbedingungen in fernen Billigstlohnländern entstanden ist, wird gern verdrängt.

Die GroKo hat Angst vor Protesten, vor deutschen Gelbwesten, vor Wutbürgern. Und sie hat Mehrheiten im Blick: Vor allem Ältere können die Radikalität, mit der da viele Schülerinnen und Schüler einen echten Wandel wollen, nicht nachvollziehen. Unsere Wählerschaft wird aber zusehends älter - und es sieht so aus, als wolle die Regierung auf diese Mehrheit Rücksicht nehmen. Dass sie dabei billigend riskiert, die berechtigten Anliegen der Minderheit der Jungen nicht ernsthaft genug anzupacken, wird wiederum die Wut vieler Schülerinnen und Studenten anfachen.

So droht eine weitere Polarisierung. Die Proteste und Blockaden von „Extinction Rebellion“, sie finden neue Nahrung durch den Rückzieher der GroKo. Werden die Aktionen radikaler, dann dürfte sich die Stimmung weiter aufheizen. Kein gutes Klima für gute Klimapolitik.


Das steckt hinter der Bewegung "Extinction Rebellion"


Das deutsche Problem ist: Wir haben es zugelassen, dass das Thema Klima mitten in den Parteienstreit geraten ist. Das führt zu all den Polemiken, Pöbeleien und Attacken, die vor allem im Netz zu erleben sind. Und es führt dazu, dass Klimapolitik zerredet und zerstritten wird. Was zu tun ist, liegt seit Jahren auf der Hand. Dass man das konsequent und sachlich vorantreiben kann durch von Experten kontrollierte staatliche Vorgaben zur Reduzierung des Schadstoffausstoßes, das beweisen mehr und mehr andere Länder: Frankreich und ja, auch Großbritannien sind da inzwischen weiter als Deutschland.

Wenn ein Klimapaket, das alle Experten für mutlos und mickrig halten, weiter geschrumpft wird, sagt das einiges aus über Anspruch und Wirklichkeit bei den Parteien. Allen voran bei der CSU und Markus Söder: Im Sommer agierte Bayerns Ministerpräsident mit hehren Worten wie der neue grüne Held – weil er die Bedeutung des Thema für Wahlen erkannt hatte. Nun, unter Druck auch aus der eigenen Partei, rudert er mit enttäuschenden Taten zurück: Es war vor allem die CSU, die den CO2-Preis auf eine lächerlich geringe Startsumme drückte und nun bremste.

Zu beobachten sind Rückschritte: Ausgerechnet die Junge Union, der CDU-Nachwuchs, fordert nun allen Ernstes eine deutlich höhere Pendlerpauschale. CSU und CDU schüren vor allem in den sozialen Netzwerken Stimmung gegen den Vorstoß der Grünen, vielleicht doch mal über ein Tempolimit auf Autobahnen nachzudenken. Das klingt dann oft so wie das uralte ADAC-Motto der „freien Fahrt für freie Bürger“. Als ob unsere Nachbarn in Österreich, der Schweiz, Frankreich und so weiter alle unfrei wären, weil es dort wie nahezu überall ein Tempolimit gibt. Als ob das autonome Fahren nicht ohnehin zu regulierten Verkehrsströmen führen muss...

Mutlos und planlos: Anders kann man die Klimapolitik der GroKo nicht bezeichnen. Ein ambitioniertes Paket, für das sich mit längst vorliegenden Argumenten werben ließe, könnte auch skeptische Wähler überzeugen – und viele andere, die für besseren Klimaschutz eintreten, wären wieder versöhnt mit der Politik. Offenbar fehlt dieser Koalition die Kraft für diese überfällige Anstrengung.

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