Hat vierte Welle begonnen?

Doch wieder Lockdown? Bund-Länder-Gipfel vorgezogen - RKI-Papier sorgt für Aufregung

27.7.2021, 19:06 Uhr
Der bayerische Gaststättenverband Dehoga hat bereits angekündigt: Einen weiteren Lockdown wollen die Wirte im Freistaat nicht mittragen. 

© Wedel/Kirchner-Media via www.imago-images.de, imago images/Kirchner-Media Der bayerische Gaststättenverband Dehoga hat bereits angekündigt: Einen weiteren Lockdown wollen die Wirte im Freistaat nicht mittragen. 

Es soll jede Menge Zoff gegeben haben, das zumindest berichtet die Bild-Zeitung. In einer Schaltkonferenz am Montag zwischen Kanzleramtschef Helge Braun und den Leitern der Staatskanzleien der Bundesländern soll der Präsident des Robert-Koch-Institutes (RKI) ein Papier präsentiert haben. Die vierte Welle habe begonnen, heißt es dem Bericht zufolge, vor allem aber soll die Sieben-Tage-Inzidenz weiterhin "Leitindikator" während der Pandemie bleiben. Und das, obwohl mehrere Länder - darunter auch Bayern - deutlich mehr Faktoren in die Bewertung der Lage einfließen lassen wollen. Selbst Experten des RKI sprachen sich für eine Neuorientierung aus.

Die Lage spitzt sich zu, sagt das RKI. "Eine steigende 7-Tage-Inzidenz geht dieser Entwicklung voraus, sie ist und bleibt der früheste aller Indikatoren", heißt es nach Informationen der Bild in dem Papier. "Hohe Impfquoten alleine sind nicht ausreichend die vierte Welle flach zu halten." Heißt: Das RKI hält weitere Maßnahmen für ausweglos. Mehrere Teilnehmer der Schaltkonferenz seien dem Blatt zufolge verärgert über den Kurs von Wieler, Kanzleramtschef Braun soll von einer Richtungsentscheidung gesprochen haben.

"Damit rechnen, dass der Zugang zu Veranstaltungen erschwert ist"

Eben jene Richtungsentscheidung, das ist seit Dienstag klar, fällt am 10. August. Dann beraten die Ministerpräsidenten gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel über das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie. Ursprünglich war der Bund-Länder-Gipfel erst Ende August geplant - nun wird er um Wochen vorgezogen. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder forderte am Dienstag schnelle Entscheidungen auf Bundesebene. Man dürfe nicht abwarten und in den Herbst "hineinstolpern", so der CSU-Chef, es brauche "klare Linien". Besser heute als morgen.

Gesprächsbedarf gibt es jede Menge, besonders bei der stockenden Impfkampagne. Mehrere Spitzenpolitiker drängen auf schärfere Regeln und Einschränkungen für Ungeimpfte. "Die, die sich nicht impfen lassen, müssen damit rechnen, dass der Zugang zu Veranstaltungen, Institutionen, erschwert ist", sagte etwa Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann.

Bald 60 Euro für einen Corona-Test fällig?

Justizministerin Christine Lambrecht sprach sich zwar erneut gegen eine allgemeine Impfpflicht aus. Aber, so die SPD-Politikerin in der Bild am Sonntag: "Geimpfte werden definitiv mehr Freiheiten haben als Ungeimpfte." Gastwirte können etwa im Rahmen der Vertragsfreiheit spezielle Angebote an Menschen richten, die ihren Schutz bereits erhalten haben.

Von derart tiefgreifenden Einschränkungen für Ungeimpfte hält Bayerns Ministerpräsident Markus Söder bislang zumindest noch wenig. Er will vor allem über kostenpflichtige Corona-Tests Druck aufbauen. Dann, wenn allen ein Impfangebot unterbreitet worden sei, könne die staatliche Finanzierung auslaufen - er nannte Preise von 50 bis 60 Euro für einen PCR-Test und um die zehn Euro für einen Schnellabstrich.

Klar ist hingegen: An Bayerns Schulen wird nach den Sommerferien nicht nur eine inzidenzunabhängige Maskenpflicht gelten - es soll auch vermehrt Impfangebote für Jugendliche geben. Söder drängte erneut auf eine Lösung für Kinder ab zwölf Jahren. Das Ziel sei, möglichst wenig Schüler in Quarantäne zu haben.

Der Bund-Länder-Gipfel wird sich wohl auch mit Reiserückkehrern beschäftigen müssen. Die Bundesregierung etwa strebt eine Ausweitung der Testpflichten an. "Wir müssen alles tun, um eine vierte Welle zu verhindern", sagte etwa Innenminister Horst Seehofer der Bild. "Dazu gehört auch, dass Reiserückkehrer künftig bei jeder Einreise einen negativen Corona-Test haben."

Tausende Urlauber vor den Kopf gestoßen

Ähnlich äußerte sich auch Gesundheitsminister Jens Spahn, der sich offen für eine Ausweitung zeigt. Zuletzt sorgte die Hochstufung Spaniens als Hochrisikogebiet für Ärger. Tausende Urlauber fühlen sich vor den Kopf gestoßen. "Es kann nicht sein, dass bei steigenden Inzidenzen die Diskussion um notwendige Maßnahmen zuerst auf dem Rücken der Reisebranche und der Urlauber ausgetragen wird", sagt etwa der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß.

So oder so: Es droht jede Menge Ärger auf dem Bund-Länder-Gipfel am 10. August, dem wahrscheinlich letzten von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ministerpräsident Markus Söder hat sich jedenfalls klar positioniert, sprach in einem Interview davon, dass es keine klassische Notbremse mehr gebe. Corona "hebelt das Grundgesetz nicht aus", argumentiert der CSU-Chef. Das allerdings war bereits im Juni. Seitdem hat sich auch in der politisches Landschaft einiges verändert.

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