Experte warnt vor Verunreinigungen in Arzneimitteln

4.6.2019, 10:34 Uhr
Experte warnt vor Verunreinigungen in Arzneimitteln

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Es war eine Überraschung, und zwar eine der ziemlich unangenehmen Art: In einer gängigen Substanz, die gegen Bluthochdruck verschrieben wird, fanden sich im Sommer letzten Jahres als Verunreinigung Nitrosamine. Die gelten immerhin als krebsauslösend – und so war es nur ein schwacher Trost, dass die Mengen extrem gering waren. Das Krankheitsrisiko schätzten Experten als minimal ein.

Die betroffenen Valsartan-Präparate sind längst vom Markt – eine knappe Million Menschen hatten sie allein in der Bundesrepublik genommen – , doch gelöst ist das Probleme noch lange nicht. Denn die Kernfragen waren ja: Wie konnte das passieren? Warum blieben die Nitrosamine so lange unentdeckt? Und: Sind vergleichbare Fälle wahrscheinlich?


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Das sind sie sehr wohl, sagt Professor Fritz Sörgel vom Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung in Heroldsberg. Sein sehr deutlicher Schlüsselsatz lautet: "Die Vorstellung, dass unentdeckte Verunreinigungen auf Valsartan begrenzt sind, ist naiv."

Er findet sich in einer Fachzeitschrift, im Journal of Pharmaceutical and Biomedical Analysis. Denn Sörgel hat sich in den letzten Monaten intensiv mit dem Thema beschäftigt, in enger Zusammenarbeit mit Professorin Ulrike Holzgrabe vom Lehrstuhl für Pharmazie und Lebensmittelchemie der Universität Würzburg und Professorin Mona Abdel-Tawab, stellvertretende wissenschaftliche Leiterin des Zentrallabors der Deutschen Apotheker in Eschborn. Sie haben die Arzneimittelgruppe der Sartane – alles Blutdrucksenker – untersucht und dabei weitere Verunreinigungen entdeckt.

Der Preis siegt über Qualität

Professor Fritz Sörgel aus Heroldsberg sagt: "Die Vorstellung, dass unentdeckte Verunreinigungen auf Valsartan begrenzt sind, ist naiv."

Professor Fritz Sörgel aus Heroldsberg sagt: "Die Vorstellung, dass unentdeckte Verunreinigungen auf Valsartan begrenzt sind, ist naiv."

Sörgel selbst machte im November bekannt, dass er ein weiteres Nitrosamin gefunden hatte. Und gemeinsam mit den anderen Arbeitsgruppen wurden jetzt Valeramid und Dimethylvaleramid nachgewiesen – zwei Substanzen, über die wenig bekannt ist, die aber als nicht krebsauslösend gelten.

Ein Teil des Problems ist, dass die Produktion vieler Arzneimittelsubstanzen aus Kostengründen nach China oder Indien verlagert wurde. Nur so können die Hersteller von Generika-Präparaten bei Ausschreibungen der Krankenkassen so billige Präparate anbieten, dass sie auch zum Zuge kommen: "Der Wettbewerb findet über den Preis statt, nicht über die Qualität." 

Als eine Ursache von Verunreinigungen sieht Sörgel die eingesetzten Lösungsmittel an: Sie werden nach einer Verwendung aus Gründen der Kosten und der Nachhaltigkeit gereinigt und erneut eingesetzt. Offenbar ist das nicht unbegrenzt möglich, so dass irgendwann einmal Verunreinigungen bleiben.

Es gibt zwar Kontrollen, aber die sind laut Sörgel nicht auf dem neuesten Stand der Technik: Eingesetzt wird mit der Hochdruckflüssigkeitschromatografie mit UV-Detektion ein Verfahren, das nur Substanzen findet, nach denen man auch sucht. Fehlt die chemische Fantasie, sich das Entstehen einer bestimmten Verbindung vorzustellen, bleibt sie unentdeckt.

Sörgel und seine Mitstreiter nutzten die hochauflösende Massenspektroskopie, die von sich aus rund allein 30 000 Substanzen finden kann. Sörgels Fazit: Es braucht unabhängige Labore mit Mitarbeitern, die viel von Chemie verstehen. Dort müssen die Arzneimittellieferungen aus Asien oder anderswoher getestet werden, und zwar mit der jeweils neuesten Technologie. Dann ließe sich das Risiko von Verunreinigungen deutlich senken.

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