Freiwilliger Wehrdienst in Franken: Heimatschützer trainieren in Volkach für Krisen

8.5.2021, 15:21 Uhr
In Bayern sind über 70 Rekruten zur militärischen Ausbildung für den Freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz angetreten.

© Nicolas Armer, dpa In Bayern sind über 70 Rekruten zur militärischen Ausbildung für den Freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz angetreten.

Verletzt wälzt sich ein Soldat auf einer Wiese. Sein Kamerad eilt zur Hilfe, legt einen Druckverband an, um eine kritische Blutung zu stoppen. Er wickelt eine silberne Rettungsdecke um den Verwundeten, damit der Körper warm bleibt. Doch der junge Mann verliert das Bewusstsein. Er muss in die stabile Seitenlage. "Übung - Ende!", ruft der Gruppenführer.

Die Rekruten in Tarnkleidung sind Frauen und Männern, die sich für eine Ausbildung im Rahmen des neuen Freiwilligen Wehrdienstes im Heimatschutz entschieden haben. Das Programm unter dem Motto "Dein Jahr für Deutschland" soll den bereits bestehenden Freiwilligen Wehrdienst der Bundeswehr ergänzen.

Von 17 bis 45 Jahren: "Wirklich alles dabei"

Auf dem Gelände der Logistikbataillon 467 im unterfränkischen Volkach stehen auf der Tagesagenda: Erste Hilfe und Waffentraining. Manuel ist der jüngste der 68 Rekruten in Volkach. "In den Heimatschutz bin ich gekommen, weil man dadurch etwas zurückgeben kann", sagt der 17-Jährige aus der Nähe von Augsburg. In seiner Truppe sei "wirklich alles dabei". Die Älteste im Heimatschutz ist dem Kompaniechef zufolge eine 45-jährige Altenpflegerin.


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Neben Volkach im Landkreis Kitzingen sind in Bayern sieben weitere Rekruten in Kümmersbruck im Oberpfälzer Landkreises Amberg-Sulzbach stationiert. Bundesweit gibt es für die dreimonatige Grundausbildung des Programms elf Standorte der Streitkräftebasis und zwei Standorte der Luftwaffe.

Heimatnahe Unterstützung statt Auslandseinsätze

Nach den drei Monaten spezialisieren sich die angehenden Heimatschützer, zum Beispiel im Bereich Brandschutz, Sanitätsdienst, Objektschutz oder für Abwehrmaßnahmen gegen atomare, biologische oder auch chemische Kampfmittel (ABC-Abwehr). Die Spezialausbildung dauert vier Monate und erfolgt in Wildflecken (Landkreis Bad Kissingen), Delmenhorst (Niedersachsen) oder Berlin.

Der größte Unterschied zum klassischen freiwilligen Wehrdienst sei eine möglichst heimatnahe Unterstützung statt Auslandseinsätze, sagt Stabsfeldwebel Thomas Sauer. Nach der Ausbildung verpflichten sich die Absolventen, fünf Monate regionale Einsätze oder Reserveübungen zu leisten. Dafür haben sie sechs Jahre Zeit. Zum Beispiel sollen sie bei Unglücken helfen, bei Hochwasser Sandsäcke stapeln, im Schneechaos unterstützen oder Einsätze ableisten, wie sie derzeit in der Corona-Pandemie benötigt werden.

Bundesweit mehr als 9000 Interessierte

Mehr als 9000 Menschen hatten nach Angaben der Bundeswehr deutschlandweit Interesse am Freiwilligen Wehrdienstes im Heimatschutz bekundet. "Wir waren selbst überrascht, wie groß das Interesse ist", sagte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). Im ersten Jahr sollen in ganz Deutschland 1000 Frauen und Männer ausgebildet werden. In diesem Quartal traten bundesweit 325 Rekruten den neuen Dienst an, davon seien 16 Prozent Frauen.

Die 18-jährige Luise aus Nürnberg fand die Bundeswehr schon lange interessant. Die Corona-Pandemie sei ein Beweggrund gewesen, sich für eine heimatnahe Ausbildung zu entscheiden. "Man kann somit den Menschen in seiner Umgebung helfen", sagt die junge Frau. Soeben hat sie ein Schießtraining mit der halbautomatischen Pistole P8 zur Selbstverteidigung im Nahkampf absolviert. Den Umgang mit dem Sturmgewehr G36 hätten die Rekruten schon gelernt.

Ungleiche Vergütung: Kritik von sozialen Verbänden

Der Name Heimatschutz sei bewusst gewählt worden und korrigiere frühere Fehler, diesen Begriff den Rechten zu überlassen, sagte Kramp-Karrenbauer, die sich auch gegen Kritik wehrte, die bezahlte militärische Ausbildung schwäche andere Organisationen. Der Verteidigungspolitiker Alexander Neu von den Linken meinte beispielsweise, dass es sinnvoller sei, Blaulicht-Organisationen wie das Technische Hilfswerk ausreichend zu finanzieren.

Kritik kommt auch seitens der Wohlfahrtsverbände, die unter anderem das Programm als eine gut bezahlte Konkurrenz zu einem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ), Freiwilligen Ökologischen Jahr (FÖJ) oder Bundesfreiwilligendienst (BFD) sehen. Denn Freiwillige bei der Bundeswehr erhielten 1400 Euro Gehalt, wohingegen Bundesfreiwillige mit rund 1000 Euro weniger rechnen müssten.

"Der neue "Freiwilligendienst" der Bundeswehr zeigt einmal mehr, dass soziale Tätigkeiten in unserer Gesellschaft weniger wert sind", kritisierte Margit Berndl, Vorstand des Paritätischen in Bayern, auf Nachfrage. "Wir setzen uns seit Jahren vergeblich dafür ein, dass die Freiwilligen im FSJ und BFD mehr Anerkennung und Vergünstigungen erhalten. Bei der Bundeswehr ist all das möglich. Das ist ein unsägliches politisches Signal in einer Zeit, die mehr denn je deutlich macht, wie wichtig der soziale Bereich für das Funktionieren unserer Gesellschaft ist."

Dem Landes-Caritas-Direktor, Prälat Bernhard Piendl, zufolge sollten diejenigen, die einen Freiwilligendienst leisten, gleiches Taschengeld und weitere Vergünstigungen erhalten - egal ob bei der Bundeswehr oder bei einem der Dienste der Sozialwirtschaft. Als Beispiele nannte er die freie Nutzung der Bahn und des öffentlichen Personennahverkehrs.

Der Fraktionsvorsitzenden und innenpolitischen Sprecherin der Grünen im bayerischen Landtag, Katharina Schulze, erschließt sich der Mehrwert zum bisherigen freiwilligen Wehrdienst nicht: "Es wäre sinnvoller, den bereits vorhandenen freiwilligen Wehrdienst zu reformieren. Es braucht eine echte Strukturreform und keinen Schnupperkurs, um das Nachwuchsproblem der Bundeswehr zu lösen."

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