Geschäft mit dem Fest: Wie Schwarzhändler mit Corona-Schnelltests Geld verdienen

9.12.2020, 06:00 Uhr
Angebote wie dieses finden sich Dutzende im Internet. 15 Euro soll ein Antigentest-Kit kosten. "Die Durchführung ist kinderleicht", heißt es im Text zur Anzeige. 

Angebote wie dieses finden sich Dutzende im Internet. 15 Euro soll ein Antigentest-Kit kosten. "Die Durchführung ist kinderleicht", heißt es im Text zur Anzeige. 

Der Abstrich gegen die Einsamkeit kostet 15 Euro. "Wer will schon Weihnachten alleine verbringen", steht im Text zur Anzeige auf Ebay. Wer will das schon? Die Verkäufer von Antigen-Schnelltests, die es eigentlich nur in Apotheken geben sollte, spielen mit der Angst, zum Überträger des Coronavirus' zu werden. Gerade zum Fest, dann, wenn viele trotz Pandemie Oma und Opa treffen wollen, Menschen aus eben jenen vulnerablen Gruppen, für die eine Infektion den Tod bedeuten kann. Der Essenstisch an Heilig Abend ist gefährlich wie nie.

Sogenannte Antigentests liefern binnen einer Viertelstunde ein Ergebnis. Ein Rachenabstrich wird in ein kleines Kästchen gelegt - sind zwei Streifen zu sehen, ist man sehr wahrscheinlich infiziert. Die Tests sind relativ sicher, ihre Spezifität- also die tatsächliche Erkennungsrate von Antigenen in der Probe - liegt bei bis zu 99 Prozent. Falsche Ergebnisse entstehen im Prinzip nur durch Fehler in der Anwendung.

Eben deshalb ist der Verkauf streng reglementiert. Nach der Medizinprodukte-Abgabeverordnung (MPAV) dürfen die Tests nur an medizinisches Fachpersonal wie Ärzte, Mitarbeiter von Gesundheitsbehörden und Blutspendediensten abgegeben werden. "Der Test ist gut in der Qualität, aber die Durchführungssicherheit werden sie nie beim Laien erreichen", sagt Josef Kammermeier. Der Regensburger ist stellvertretender Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbandes (BAV). "Die Sensibilität liegt bei 99 Prozent, ja. Aber wenn sie ihn falsch anwenden, liegt sie bei null."

"Privatmann wird das Ergebnis für sich behalten"

Zuerst einmal muss der Rachenabstrich richtig genommen werden. "Dafür muss man tief und lange genug im Nasenraum abstreifen", erklärt Kammermeier. "Die Gretchenfrage ist, ob am richtigen Ort genug Material abgenommen wurde." Erlernen könne man das, sagt der Apotheker – nur ohne Anweisung ist die Gefahr von falsch-negativen Ergebnissen gewaltig.


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Gerade dann, wenn das Ergebnis positiv ausfällt, also zwei Streifen auf dem Display schimmern, wird es kompliziert. "Formal müsste sich der Betroffene dann beim Gesundheitsamt melden“, sagt Kammermeier. Er muss in Quarantäne, Kontaktpersonen werden überprüft, womöglich hat der Infizierte sogar finanzielle Einbußen. "Der Privatmann wird das Ergebnis für sich behalten, obwohl er unbedingt zum Arzt gehen und einen PCR-Test folgen lassen müsste."

Schwangerschaftstest oder Antigen-Kit? Zoll hat es schwer

Dennoch, oder vielleicht genau deshalb, floriert im Internet der Handel mit den Antigen-Kits, die Sicherheit zu Weihnachten versprechen. Ebay reagiert zwar auf die Anzeigen, viele verschwinden innerhalb von Stunden wieder aus dem Internet - genug Zeit aber für die Schwarzhändler, um den ein oder anderen Abnehmer zu finden. Sie bestellen große Mengen aus Asien, wo die Kits produziert werden und der freie Verkauf erlaubt ist.

Auch das bayerische Gesundheitsministerium rechnet in den kommenden Wochen mit großem Andrang in den Testzentren. Darauf habe man sich in den letzten Monaten "bestmöglich vorbereitet", heißt es aus dem Ressort von Melanie Huml. "Ich rate generell dringend davon ab, sich auf möglicherweise unzuverlässige Testmöglichkeiten einzulassen", sagt die CSU-Politikerin auf Nachfrage. Man solle "beim Kauf medizinisch genutzter Produkte über das Internet genau" überprüfen, "ob diese den qualitativen Mindestkriterien entsprechen". Huml verweist auf konventionelle Angebote, etwa bei Ärzten oder in den bayerischen Zentren.

Interpol warnt vor gefälschten Kits

Die internationale Polizeiorganisation Interpol warnte erst kürzlich vor gefälschten Kits und illegal angebotenen Impfstoffen. Die Pandemie habe "opportunistisches und räuberisches kriminelles Verhalten ausgelöst", heißt es in einer Mitteilung. Der deutsche Zoll hat es schwer, die illegal eingeführten Abstriche aus dem Verkehr zu ziehen. "Sie dürfen ja einen Schwangerschaftstest bestellen", sagt Kammermeier vom Apothekerverband. Der sehe identisch aus, da sei "der Zoll überfragt". Und überhaupt: Gerade vor Weihnachten, dann, wenn Millionen Deutsche ihre Geschenke per Post quer durch Europa verschicken, sei die Paketflut immens.

Auf Nachfrage der Nürnberger Nachrichten teilt der Zoll mit, man beobachte die Vorgänge "sehr aufmerksam". Die Antigentests erkenne man an der Aufmachung der Verpackung, sagt ein Sprecher der Generaldirektion in Bonn. Grundsätzlich liege die Verantwortung, Verstöße zu ahnden, bei den Landesbehörden - doch auch der Zoll wird immer wieder aktiv. "Erkenntnisse zu illegalen Einfuhren von Antigentests liegen derzeit nicht vor", erklärt der Sprecher. Auch sogenannte Produktpiraterie, also gefälschte Kits, habe man bislang nicht aus dem Verkehr gezogen.

"Sie können Glück haben und ein originales Kit bekommen“, sagt Kammermeier. "Aber das ist, und das sage ich ganz bewusst so, ein rechtsfreier Raum.“ Fälschungen seien nicht selten, die Ergebnisse eines Tests im schlimmsten Fall einfach nichts wert. Der Apotheker selbst bekomme tagtäglich Angebote aus aller Welt. "Wir kennen das bereits bei der erektilen Dysfunktion, also bei Potenzmitteln. Da sind die Antigentests nichts Neues.“ Der illegale Handel mit den blauen Pillen, die es in Deutschland nur auf Rezept gibt, floriert. Dubiose Verkäufer verdienen Millionen mit dem Geschäft. "Wenn der Rechtsrahmen zu eng ist, wandert der Handel ins Internet ab. Das ist leider die Realität."

Fachpersonal muss Tests durchführen

Die schnellen Antigentests, da sind sich Experten einig, sind ein scharfes Schwert im Kampf gegen die Pandemie. Mehrere Seniorenheime auch in Franken setzen auf die Sofort-Diagnosen, damit das gerade für ältere Menschen häufig tödliche Coronavirus nicht in die Einrichtungen gerät. Sie dürfen die Antigentests seit der Verabschiedung des dritten Bevölkerungsschutzgesetzes ebenso kaufen wie ambulante Pflegedienste. Ausnahmen gelten zudem bei Lehrern und Erziehern, doch: Durchgeführt werden müssen die Tests immer von medizinischem Fachpersonal.

In ganz Österreich werden vor Weihnachten Massentests auf das Coronavirus durchgeführt - dabei setzt die Regierung auf Antigen-Abstriche. 

In ganz Österreich werden vor Weihnachten Massentests auf das Coronavirus durchgeführt - dabei setzt die Regierung auf Antigen-Abstriche.  © photonews.at/Georges Schneider via www.imago-images.de, imago images/photonews.at

Einige Virologen, darunter Alexander Kekulé von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, sprechen sich aber auch für den Privatgebrauch aus. "Ein Abstrich ist so einfach wie Zähneputzen. Methodisch ist das Pipifax", sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ). Der Gesetzgeber müsse reagieren. "Die Schnelltests müssen so schnell wie möglich als Do-it-yourself-Tests zugelassen werden, das könnte binnen Wochen erledigt sein." Kekulé selbst werde sich und seine Familie vor dem Weihnachtsfest selbst durchtesten. "Ein negatives Ergebnis gibt für 24 Stunden eine hohe Sicherheit." Wer Zweifel hat, der könne sich in einer Apotheke von Fachpersonal testen lassen, sagt der Virologe gegenüber der NOZ.

Antigen-Tests bald in Apotheken möglich? "Noch Zukunftsmusik"

Auch Josef Kammermeier, der Apotheker aus Regensburg, plädiert für den Verkauf an Privatmenschen - aber nur unter strengen Regeln und nach intensiver Einweisung. "Der Laie wird aber trotzdem weiter Fehler machen."

Deutschlands Nachbarländer experimentieren ebenfalls mit den Antigen-Schnelltests. Die Schweiz etwa plant, dass Abstriche möglichst flächendeckend in Apotheken genommen werden können. Entsprechende Modellversuche, etwa im Kanton Zürich, laufen derzeit. Eine Idee auch für Deutschland, sagt Kammermeier. "Aber das ist noch Zukunftsmusik und sicherlich nichts für die Zeit vor Weihnachten.“ Es brauche eine intensive Schulung des Personals und die entsprechende räumliche Ausstattung. "Zudem würden wir unter Vollschutzausrüstung arbeiten, denn wir müssten davon ausgehen, dass der Patient positiv ist."

Die Schwarzhändler verkaufen ihre Kits in Frankfurt und Hamburg, Weiden und Nürnberg - der nächste Antigentest-Dealer sitzt nur wenige Kilometer entfernt. Aber wie so häufig im Internet ist manchmal nicht das drin, was drauf steht. Viele preisen Antigentests an, verkaufen aber Antikörper-Kits, die es mittlerweile auch in Drogerien gibt, zu überteuerten Preisen. Mit ihnen lässt sich per Blutprobe nur eine zurückliegende Infektion feststellen - nicht aber, ob jemand ansteckend ist.

"Dann geh lieber zum Arzt"

Unsere Redaktion kontaktierte mehrere der Händler. Der Gesprächsverlauf ähnelt sich. Immer wieder verbergen sich vermeintlich gewerbliche Anbieter dahinter, Logistikunternehmen, scheinbare Medizintechnik-Firmen, sogar eine KfZ-Werkstatt. Die Menge der Tests, die die Verkäufer organisieren können, ist beliebig steigerbar - einige bieten bis zu Tausende Kits an. Häufig, das geben einige der Händler zu, handelt es sich um Importware, die offenbar im großen Stil aus dem Ausland aufgekauft wird. Einige sind angeblich vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte verifiziert, andere nicht.

"Was willst du denn mit denen machen?", fragt ein Ebay-Händler, der ein Kit anbietet - und schiebt direkt hinterher: "Wenn es dir zu unsicher ist, dann geh lieber zum Arzt und lass dich testen." Es ist der Weg, den auch Experten empfehlen.


Eine Liste der zugelassenen Antigentests zum direkten Erregernachweis finden Sie hier.

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