Bayern trauriger Spitzenreiter

Gewalttätige Impfgegner und Coronaleugner: Angriffe nehmen zu

11.10.2021, 05:55 Uhr
Die Szene der Impfgegner und Coronaleugner radikalisiert sich. In der Folge steigt die Zahl der Straftaten.

© imago images/Ralph Peters Die Szene der Impfgegner und Coronaleugner radikalisiert sich. In der Folge steigt die Zahl der Straftaten.

Als ein mutmaßlicher Coronaleugner einen 20-jährigen Kassierer in einer Tankstelle ermordet hat, nur weil er ihn an die Maskenpflicht erinnert hatte, war der Aufschrei groß. Doch die Gefahr ist nicht neu: Die Zahl der Übergriffe etwa gegen Impfzentren steigt stetig, ebenso wie grundsätzlich Straftaten rund um Corona.

Die Grünen im Landtag wollten vom Innenministerium wissen, wie sich die Lage entwickelt, insbesondere seit Jahresbeginn. Die Antwort von Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ist eindeutig, obwohl ihm noch nicht alle Zahlen vorliegen. Erst im Februar kommenden Jahres könne er eine verlässliche Auskunft geben, schreibt sein Ministerium in seinem Namen.

Mindestens 22 Anschläge

Doch auch die vorläufige Auskunft hat es in sich. Zwischen Dezember 2020 und Mitte September diesen Jahres verzeichnete die Polizei 56 Straftaten rund um die Impfzentren. Deren Zahl lag auf dem Höhepunkt der Impfaktionen bei rund hundert. Inzwischen sind etliche der Einrichtungen geschlossen. Laut Innenministerium handelte es sich in 22 Fällen um Sachbeschädigungen, in weiteren 16 um Diebstähle. Dazu kommen in diesem Jahr weitere 922 Straftaten, die das Landeskriminalamt erfasst und mit der Corona-Pandemie in Verbindung gebracht hat. In 51 Fällen handelte es sich um Gewaltdelikte.

Im Schnitt über hundert Straftaten pro Monat, "das ist erschreckend viel", sagt Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze. Mit 56 Straftaten gegen Impfzentren sei Bayern überdies "im Bundesvergleich trauriger Spitzenreiter". Schulze fordert, dass "die Söder-Regierung endlich die zunehmende Radikalisierung von Teilen der Corona-Leugner-Szene und der Querdenker-Bewegung entschieden" entgegentrete.

Intensiv beobachten

Für die Grünen-Politikerin ist klar, dass dabei auch der Verfassungsschutz eine wichtige Rolle spielen muss. "Staatliche Sicherheitsbehörden", fordert sie, müssten "die demokratiefeindlichen und extremistischen Teile der Szene" intensiver beobachten als bisher. Ihr Landtagskollege und Parteifreund Cemal Bozoglu stimmt ihr zu. "Mit den Verschwörungserzählungen dieser Gruppen", warnt er, "keimt auch wieder ein gefährlicher Antisemitismus in unserem Bundesland auf, dem viel aktiver begegnet werden muss."

Die Polizei erfasst allerdings nicht, ob die Taten einzelnen Gruppen, Organisationen oder organisierten Strukturen zugeordnet werden können. Zwar stellen die Behörden fest, dass die Szene der Coronaleugner und Impfgegner sich zunehmend radikalisiert. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat deshalb das so genannte "Sammel-Beobachtungsobjekt sicherheitsgefährdende demokratiefeindliche Bestrebungen" eingerichtet. Seitdem beobachten die Verfassungsschützer alle Coronaleugner, die sie der Gruppe zuordnen.

Aufruf zum Widerstand

Sicher ist nach den Erkenntnissen der Staatsschützer, dass sie bislang "nicht an (gewalttätigen) Aktionen etwa gegen mobile Impfteams" beteiligt gewesen sind. Auf Demonstrationen und Veranstaltungen gegen Corona-Maßnahmen allerdings treten sie regelmäßig auf, ebenso im Internet. Dort agitierten sie "zum Teil in scharfer Art und Weise" und rufen "teils zum Widerstand gegen eine aus ihrer Sicht illegitime Regierung" auf.


Bündnis Nazistopp warnt: Coronaleugner drohen mit Krieg


Für die Grünen ist das nicht hinnehmbar. Der Staat, sagt Katharina Schulze, müsse "Gefährdungspotenziale frühzeitig erkennen und Gewalttaten, wo immer möglich, verhindern".