Helfen Antikörper-Tests im Kampf gegen Corona?

5.5.2020, 05:55 Uhr
Helfen Antikörper-Tests im Kampf gegen Corona?

Mit einem Schlag alle Corona-Sorgen los? In dieser Zeit der Unsicherheit ist Gewissheit ein gutes Verkaufsargument. Wer nach einer überstandenen Infektion Antikörper im Blut hat, muss zwar weiterhin die Schutzregeln einhalten. Aber man ist vermutlich immun gegen das Virus und muss sich weniger den Kopf darüber zerbrechen, ob man einen kontaminierten Gegenstand angefasst hat oder einem keuchenden Jogger nicht schnell genug ausgewichen ist. Kein Wunder, dass etwa im Internet Testpakete für zuhause beworben werden, für die man schon mal hundert Euro hinlegen kann.


Coronavirus: Roche kann 100 Millionen Tests im Monat herstellen


So mancher kommt da ins Grübeln: Diese merkwürdige Erkältung vor einigen Wochen, war das vielleicht Corona? Oft verläuft die Krankheit ja nur mit leichten oder gar keinen Symptomen. Dennoch bewilligen die Gesundheitsämter bei Bürgern ohne Symptome keine Testes – nicht einmal dann, wenn deren Partner nachweislich an Corona erkrankt war. Ein selbst bezahlter Antikörpertest könnte Klarheit schaffen, sobald die mögliche Infektion rund 14 Tage zurückliegt. Doch viele Mediziner warnen vor den Tests für zuhause: Schon durch Anwendungsfehler drohen falsche Ergebnisse.

Sicherer ist es, sich auf eigene Kosten vom Hausarzt Blut abnehmen und in ein Testlabor einschicken zu lassen, das Antikörpertests durchführt. Dafür gibt es auch Anbieter in der Region. Ein Nürnberger Labor verlangt zum Beispiel rund 45 Euro für die Zweier-Kombination aus einem Virustest auf eine akute Infektion und einem Antikörpertest auf eine überstandene Infektion.

"Wir weisen aber immer darauf hin, dass es noch nicht gesichert ist, ob und wie lange man mit Antikörpern wirklich immun gegen das Coronavirus ist", betont Cornelia Wanke, Geschäftsführerin des Vereins Akkreditierte Labore in der Medizin (ALM). Hier sind rund 90 Prozent aller deutschen Labore Mitglied, in denen Corona-Antikörpertests durchgeführt werden.

Es gibt noch ein weiteres Problem der Antikörpertests: Die meisten sind nicht sehr zuverlässig. Diese Situation soll sich nun mit dem neuen Test des Pharmaunternehmens Roche ändern. Es könnte sich künftig lohnen, beim Labor nachzufragen, welches Verfahren es verwendet. Denn etliche der zuvor schnell auf den Markt gebrachten Tests weisen hohe Fehlerquoten auf. Unter anderem durch Kreuzreaktionen: Der Test meldet ein positives Ergebnis, weil der Patient früher eine Infektion mit einem anderen Coronavirus hatte, nicht jedoch mit dem aktuell grassierenden neuen vIrus Sars-CoV2.

Fünf Prozent Fehlerquote

In den USA haben 50 Forscher verschiedener Universitäten 14 Antikörpertests unter die Lupe genommen: Die meisten Tests zeigen in rund fünf Prozent aller Fälle ein falsches positives Ergebnis an – also eine Corona-Immunität, die gar nicht existiert. Vier Tests tun dies sogar in 11 bis 16 Prozent der Fälle. Nur drei Tests arbeiten ganz oder nahezu fehlerlos. "Diese Zahlen sind inakzeptabel", klagt der Mikrobiologe Scott Henley von der Universität Pennsylvania. Das bundeseigene Paul-Ehrlich-Institut weist darauf hin, dass es an verbindlichen Standards und unabhängigen Prüfungen fehlt: die Hersteller können ihre Antikörpertests weitgehend selbst zertifizieren, in der EU ist dies einer Verordnung zufolge noch bis Mai 2022 möglich.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) startet in diesen Tagen selbst eine bundesweite Antikörper-Studie, um die Verbreitung des Virus und die mögliche Immunität in der Bevölkerung zu untersuchen. Doch auch das RKI weist darauf hin, dass die meisten kommerziell angebotene Tests noch Studien unterzogen werden sollten und die Antikörper-Diagnostik aktuell vor allem ein Thema für Pandemie-Forscher ist. Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt den Einsatz nur im Rahmen von Forschungsprojekten.

Mehr und mehr Studien

Dennoch wird in deutschen Laboren schon seit Wochen immer stärker auf Antikörper getestet. Teilweise geschieht dies im Rahmen von Studie und im Auftrag von ärztlichen Praxen. Es gibt zudem immer mehr medizinische Institutionen und Pflegeeinrichtungen, die herausfinden wollen, ob Teile ihres Personals bereits immun sind – und somit weder sich selbst noch die Patienten gefährden. Und dann gibt es Tests von Bürgern, die auf eigene Kosten Klarheit haben wollen.

Wie genau sich die Zahl der verschiedenen Auftraggeber zusammensetzt, wird beim Laborverbund ALM nicht erfasst. Insgesamt wurden vom 1. März bis zum 26. April in den Mitgliedslaboren 130 918 Antikörpertests ausgewertet, davon waren 8278 positiv (6,3 Prozent). Die Anzahl der Tests und der durchführenden Labore steigt stetig, ebenso die Quote der positiven Befunde: Allein in der zuletzt ausgewerteten Woche vom 20. bis 26. April waren es in 79 Laboren insgesamt 56 336 Tests. Darunter gab es 4603 positive Befunde,das sind rund 8,2 Prozent.

Überlastet sind die Labore bislang jedoch nicht, es gibt laut ALM noch genug Ressourcen für mehr Antikörpertests. Die könnten auch bald gebraucht werden, wenn der Pharmakonzern Roche wie geplant schon im Mai drei Millionen Tests in Deutschland ausliefert.

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