Im Niger haben die Frauen die Hoheit über das Ersparte

7.12.2016, 07:33 Uhr
Im Niger haben die Frauen die Hoheit über das Ersparte

© Fotos: Arndt Peltner

)Tambarawa ist ein kleines Dorf an der Landstraße zwischen Niamey, der Hauptstadt des Niger, und Maradi. Eines wie viele in dieser Gegend. Es ist heiß an diesem Sonntag, das Thermometer steigt und steigt – bis auf 40 Grad. Habsou Oumarou sitzt auf dem Boden vor ihrem Haus. Ein großer Baum spendet Schatten. Ihr Alter kann man schlecht schätzen, sie selbst weiß es nicht so genau, aber das ist auch unwichtig.

Vor Habsou Oumarou steht die Kasse des Sparvereins, eine kleine Kiste aus Metall, die mit drei Schlössern gesichert ist. Darin ein paar Scheine, ein Abrechnungsbuch, in dem die Ein- und Ausgaben genau aufgeschrieben werden. Drei Frauen im Dorf haben jeweils einen Schlüssel, nur gemeinsam lässt sich die Kasse öffnen. Mit dem ersparten Geld finanzieren die Frauen verschiedene Projekte im Dorf. 20 Frauen sind es, die sich gegenseitig unterstützen; jeden Dienstag treffen sie sich.

Diese Spargruppen gehen auf die Initiative von Care zurück. Vor 25 Jahren kam die Norwegerin Moira Eknes als Programm-Mitarbeiterin in den Niger, um hier ein Aufforstungsprojekt mit Frauen umzusetzen. Doch schnell merkte sie, dass das Hauptproblem der fehlende Landbesitz war. Damals gab es schon die Minikredite von verschiedenen Organisationen, aber nichts, was von den Dorfbewohnern selbst verwaltet wurde. Eknes schmiss ihre Pläne mit der Baumpflanzung über den Haufen und begann mit dem Projekt „Village Savings and Loan Association“, was zu deutsch Kleinspargruppen meint.

Damit schuf sie die Basis für das Grundkonzept von Care – Hilfe zur Selbsthilfe. Und der Erfolg dieses Projektes gab der Norwegerin und der Hilfsorganisation recht. In den folgenden 25 Jahren entstanden etwa 15.000 Kleinspargruppen im Niger mit mehr als 500.000 zumeist Sparerinnen.

Im Niger haben die Frauen die Hoheit über das Ersparte

Und auch in dem kleinen Dorf Tambarawa wurde es ein Erfolg. Aus der anfänglichen Gruppe sind mittlerweile zehn geworden, die, eng vernetzt, sich gegenseitig unterstützen. "Die Kleinspargruppe hat uns geholfen, die Unterernährung bei Kindern zu bekämpfen", sagt Habsou Oumarou. "Die neue Rolle der Frauen im Dorf hat auch dazu geführt, dass sich Männer und Frauen besser verstehen", fügt sie hinzu. Ich frage sie, ob sie damit meint, dass Männer nun freundlicher zu den Frauen sind, weil sie Geld verdienen und verwalten. Die alte Frau lacht herzhaft auf. "So kann man es auch umschreiben." Auch das Verhältnis zwischen den Frauen habe sich verbessert, man mache viel mehr gemeinsam.

Dieser Ansatz ist überall im Niger zu finden. Nur gemeinsam lassen sich die Probleme lösen. Das Land und seine Menschen leben in einer schwierigen Region und Zeit. Die Nachbarländer versinken im Chaos oder leiden unter dem Terror extremistischer Gruppen – im Norden Libyen und Algerien, im Osten der Tschad, im Süden Nigeria, im Westen Mali und Burkina Faso. Die Grenzregionen sind absolutes "No Go" für westliche Besucher. Ein Großteil der finanziellen Ressourcen des Niger, eines der ärmsten Länder der Welt, geht in die Grenzsicherung.

Der Niger kämpft Tag für Tag einen aussichtslosen Kampf. Fast Dreiviertel des Landes sind von der Wüste geprägt, und die breitet sich weiter aus. Der Klimawandel ist hier besonders deutlich zu spürbar. Die wichtige Regenzeit kommt nicht mehr so wie früher. Mal regnet es, dann wieder nicht. Die Bevölkerung wuchs seit 1960 von 3,2 Millionen auf nahezu 18 Millionen Menschen an. Der Kinderreichtum wird zu einem massiven Problem für das Land, in dem es schon jetzt zu wenig zum Essen gibt. Im Niger bekommen die Frauen so viele Kinder wie nirgends sonst auf der Welt; im Durchschnitt sieben.

Anpassung ist das Wort, das man hier immer wieder hört. Überall. In den Gesprächen in der deutschen Botschaft in Niamey, vom Leiter des CareBüros im Niger, und auch im Gespräch mit einfachen Bauern in den noch so kleinsten Dörfern. Anpassung an den Klimawandel.

Das sagt auch der "Regenmann" Ibrahim Abdou in dem abgelegenen Dorf Chafouta Saboua, im Süden des Landes. Er zeigt uns den Regenmessbehälter, einen Plastikzylinder, der auf einer einfachen Eisenstange angebracht ist. Saboua misst den Niederschlag, wenn er denn kommt. Alles wird notiert und dann weitergegeben. So erfahren zuerst die Dorfbewohner, dass und was sie anpflanzen sollen. Dann gehen die Daten an die Gemeinden, in deren Richtung die Wolken ziehen, und schließlich an eine zentrale Stelle, die die Niederschlagsdaten im Land aufzeichnet.

Im Niger hat ein Umdenkprozess begonnen. Die Bauern lernen mit den erschwerten Bedingungen umzugehen, sich darauf einzustellen, sich anzupassen. "Wir müssen das machen", sagt der Dorflehrer Inoussa Dan Zahru, der neben der "Messstation" in einer Strohhütte unterrichtet. "Das hier ist unser Land, unsere Heimat. Wir wollen nicht weg. Wir bleiben – wir passen uns einfach an."

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