Im ZDF-Interview: AfD-Chef Chrupalla führt sich selbst vor

2.12.2019, 12:14 Uhr

"Mit Superlativen soll man vorsichtig sein", hat die Journalisten-Legende Hajo Friedrichs einst gesagt – wir stimmen dem zu, nutzen heute aber doch mal einen: Das von Theo Koll mit Tino Chrupalla (AfD) geführte Interview ist das beste, das seit Jahren über den öffentlich-rechtlichen Bildschirm flimmerte. Warum? Nicht deshalb, weil es den neuen starken Mann bei der AfD binnen weniger Minuten entzauberte, sondern weil es zeigt, dass guter Journalismus in Deutschland entgegen aller Unkenrufe immer noch seiner ureigensten Aufgabe nachkommt: Er spült das nach oben, was manche gerne verborgen oder vergessen hätten.

Im Fall von Tino Chrupalla war das dessen Nähe zum Nazi-Jargon, festgemacht an seinem Gebrauch des Wortes "Umvolkung". Nach Kolls erster Frage versuchte er noch, dieses Kapitel wegzulächeln. Doch als der mit Fakten gespickte und bestens vorbereitete Interviewer immer wieder nachbohrte, geriet der AfD-Politiker sichtlich außer Fassung, rang um Worte und wurde zuletzt sogar einsilbig. Souverän sieht anders aus. Koll hat damit klar in die Richtung gedeutet, wes Geistes Kind Chrupalla ist. Wer vorher Zweifel daran hatte, sieht diese nun ausgeräumt. Danke, liebe Kollegen vom ZDF, selten habe ich meine Gebühren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk besser angelegt gesehen.

Wer führt die AfD hier vor?

Die Reaktionen auf das Chrupalla-Interview sind vorhersehbar: Die AfD wird mächtig schimpfen auf die "System-Presse", die nichts anderes zu tun habe, als die größte Oppositionspartei im Land zu diffamieren. So lief es schon im vergangenen September, als der AfD-Rechtsaußen Björn Höcke dem ZDF ein Interview geben sollte, dieses aber abbrach, weil er sich unfair behandelt fühlte. Auch er war damals darauf angesprochen worden, dass er sich gelegentlich des Nazi-Jargons bediente.

Höcke forderte damals, dass das Gespräch nicht gesendet werden dürfe – doch die Verantwortlichen in Mainz zeigten Rückgrat: "Die transparenteste Lösung im Sinne der Zuschauer war, die zwölf Minuten ungeschnitten in die ZDF-Mediathek zu stellen, so dass sich die Zuschauer selbst ein Bild machen können. Das ZDF leistet damit einen Beitrag zur Aufklärung", teilte der Sender damals mit und verfuhr dementsprechend.

Und nun kommt die Frage aller Fragen: Wer führt die AfD hier vor? Ein Sender, der Aussagen von Vertretern dieser Partei ungeschnitten sendet und sie damit konfrontiert? Oder sind es die AfD-Vertreter selber, die schlicht nicht wegreden können, was sie einst von sich gegeben haben – und das auch noch öffentlich? Ich habe großes Vertrauen in Sie, geschätzte Leserinnen und Leser, dass Sie diese Frage richtig beantworten können.

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