Jetzt auch noch Corona: Nächster Schlag für den BER

24.10.2020, 14:29 Uhr
Gähnende Leere: Wegen der Corona-Pandemie wird der Haupstadtflughafen kaum ausgelastet sein.

© Michael Kappeler, dpa Gähnende Leere: Wegen der Corona-Pandemie wird der Haupstadtflughafen kaum ausgelastet sein.

Man kann es fast schon tragisch nennen. Mehr als 25 Jahre haben die Länder Berlin und Brandenburg sowie der Bund benötigt, um von den ersten Planungen an einen funktionstüchtigen Hauptstadtflughafen auf die Beine zu stellen. Und nun – wo es endlich so weit zu sein scheint – ist dank der Corona-Pandemie der Flugverkehr weltweit dramatisch eingebrochen.

Wenn am 31. Oktober die ersten beiden Linienmaschinen auf dem BER gelandet sind, dann wird alles andere als ein Normalbetrieb beginnen. Es ist vorerst höchstens mit einem Viertel der geplanten Auslastung zu rechnen, und auch das nur, wenn sich im Herbst und Winter die Lockdowns in den anderen Ländern nicht wieder dramatisch häufen. Man dürfte also als Reisender recht viel Platz haben auf dem Flughafen, sich vielleicht sogar einsam fühlen.

Schädigend für das Image deutscher Ingenieure

Für die Gesellschafter in Bund und Ländern ist das fatal. Eigentlich waren sie davon ausgegangen, vom ersten Moment an mit dem Flughafen gutes Geld zu verdienen. Das erschien angesichts der explodierten Baukosten (von zwei auf sechs Milliarden Euro) auch dringend geboten. Doch nun könnte es Jahre dauern, ehe der Hauptstadtflughafen die erwarteten Passagierzahlen von mehr als 30 Millionen Menschen erreicht.

Zu dem finanziellen Debakel kommt noch etwas anderes, langfristig vermutlich weit Schlimmeres: Der Ruf der deutschen Ingenieurskunst hat weltweit unter den Planungspannen und den Verschiebungen des Eröffnungstermins gelitten. Wie Martin Burkert, der ehemalige Nürnberger SPD-Abgeordnete und Vorsitzende des Verkehrsausschusses, im Gespräch mit unserer Zeitung einmal berichtete, gab es quasi kein Treffen mit ausländischen Gästen ohne pikante Äußerungen zu diesem Thema.

Die Liste der Pannen aus den vergangenen Jahren ist lang: Kilometerlange Schächte waren mit Kabeln viel zu vollgestopft und drohten zu überhitzen, die intern als "Monster" bezeichnete Entrauchungsanlage funktionierte nicht und zeitweise war auf dem gesamten Flughafen nicht einmal das Licht abzuschalten. Der amtierende Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup brachte es auf den Punkt: "Wir deutschen Ingenieure haben uns geschämt."

Tausende Münzen im Fußboden

All das erklärt vielleicht auch, warum jetzt überhaupt nicht gefeiert wird. Der BER nimmt einfach seinen Betrieb auf. Noch 2012 waren Auftritte der Kanzlerin und des Bundespräsidenten zur Eröffnung vorgesehen, nun werden ein paar normale Touristen die ersten sein, die den Flughafen betreten. Zu sehen gibt es für sie einiges, denn zumindest die Innenarchitektur gilt nach Ansicht von Fachleuten als gelungen.

So sind zum Beispiel in den Fußboden Tausende von Münzen aus verschiedenen Währungen eingelassen. Sie sollen ein Sternbild symbolisieren. An der Decke des Terminals schwebt eine Art fliegender Teppich, und um eine der Fluggastbrücken windet sich eine riesige Perlenkette aus roten und weißen Glaskugeln.

Das Ende der kurzen Wege

Noch mehr als der Start des neuen Flughafens mit dem Namen des früheren Kanzlers Willy Brandt beschäftigt die Berliner aber derzeit etwas anderes: Sie verlieren zeitgleich ihren geliebten Flughafen Tegel. Der liegt innerstädtisch, ist für viele mit dem Bus in zehn, 20 Minuten zu erreichen und gilt als Airport der kurzen Wege. Seine Zeit ist demnächst vorbei, unter anderem sollen dort Hochschulen und Startups einziehen.

Die Hauptstadt selbst verfügt damit über gar keinen Flughafen mehr auf eigenem Gebiet. Das legendäre Tempelhof (einer der ersten Verkehrsflughäfen Deutschlands) ist schon lange geschlossen, nun kommt auch noch Tegel dazu – und BER liegt schließlich in Schönefeld, auf brandenburgischem Grund und Boden. Wer aus den Innenstadtbezirken dorthin will, der muss etwa mit einer Dreiviertelstunde Fahrzeit rechnen.

Den prominentesten Gästen Berlins – den Königen, Präsidenten und Ministern – wird es kaum besser ergehen als den normalen Touristen. Auch sie starteten und landeten bisher auf dem stadtnahen Regierungsflughafen Tegel und werden nun in Schönefeld empfangen. Vor wenigen Wochen wurde schon geübt. Da landeten ein König aus einem fiktiven Land und sein Gefolge, gespielt von Freiwilligen, auf dem BER-Gelände. Dem Vernehmen nach hat alles perfekt geklappt. Ein gutes Omen für den ersten echten König.

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