Karlsruher Klimaschutzgesetz: Wie das Bundesverfassungsgericht die Politik beeinflusst
4.5.2021, 15:26 Uhr„Wegweisend“ war die Vokabel, die diejenigen, die das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum deutschen Klimaschutzgesetz zu bewerten hatten, mindestens verwendeten. Sie trifft nicht nur im übertragenen, sondern auch im Wortsinne zu, denn die Karlsruher Richter haben der Politik einen ziemlich deutlichen Weg gewesen.
Bis Ende 2022, und nicht, wie eigentlich vorgesehen bis 2025, muss der Gesetzgeber demnach definieren, wie genau Deutschland ab dem Jahr 2030 vorgehen soll, um bis zum Jahr 2050 die angestrebte Treibhausgas-Neutralität zu erreichen – also: Was genau ist nötig, damit Deutschland bis dahin keine Emissionen mehr in die Atmosphäre entlässt, so dass das Pariser Klimaschutzziel von „deutlich unter zwei Grad“ Erderwärmung, möglichst aber nur 1,5 Grad, zu erreichen ist? Oder: Was ist nötig, um solche Emissionen, wenn sie nicht verhindert werden, zu kompensieren?
Das Urteil ist wegweisend – und in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Zum einen, weil das Bundesverfassungsgericht die Politik vergattert, aus dem Grundgesetzartikel 20a, dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, ganz klare Handlungsschritte zu benennen anstatt nur allgemeine Ziele. Zum anderen, weil es das Urteil damit begründet, dass die Freiheitsrechte der heute jungen Generation, deren Vertreter die Klage eingereicht hatten, in Zukunft drohten, massiv eingeschränkt werden zu müssen, wenn die Klimaziele nicht erreicht werden.
Damit bekommt das Urteil eine apokalyptische Note, bei der man sich fragen kann, ob sie für einen Richterspruch angemessen ist. Und wenn die Verfassungshüter aus dem Schutzauftrag des Artikels 20a sogar eine „internationale Dimension“ ableiten, dann stellt sich die Frage, ob das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland damit nicht doch überfordert wird.
Bemerkenswert war ferner, wie sehr sich nahezu alle das Urteil kommentierende Politikerinnen und Politiker und selbst Wirtschaftsverbandsvertreter bemühten, nur ja keine Zweifel aufkommen zu lassen, dass man es ultraernst nehme und Konsequenzen ziehen werde. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat nun sogar angekündigt, das eigene Klimaschutzgesetz zu kippen und ein neues mit verschärften Zielen auf den Weg zu bringen. Einmal mehr sprachen die Karlsruher Richter also nicht nur Recht, sondern machen indirekt Politik.
Söder will eigenes Klimaschutzgesetz kippen
Für die Grünen und ihre politischen Vorfeldorganisationen ist das Verfassungsgerichtsurteil wie ein Beschleuniger für die eigene Agenda. Für die anderen – vor allem für Union und FDP – wird es nun noch wichtiger, für das Megathema unserer Zeit glaubhafte und vor allem realistisch umsetzbare Alternativkonzepte zu entwickeln. Diese müssen zum einen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entsprechen, sollten aber in enger Abstimmung mit der Wirtschaft und dem Teil der Wissenschaft erfolgen, die Technologieoffenheit als Fortschrittstreiber auch für den Klimaschutz begreifen.
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