Klamme Kommunen müssen noch mehr Sozialhilfe zahlen

14.8.2019, 18:42 Uhr
Kinder pflegebedürftiger Eltern sollen finanziell entlastet werden. Das sieht das Angehörigen-Entlastungsgesetz vor, das an diesem Mittwoch im Bundeskabinett beschlossen werden soll.

© Christoph Schmidt/dpa Kinder pflegebedürftiger Eltern sollen finanziell entlastet werden. Das sieht das Angehörigen-Entlastungsgesetz vor, das an diesem Mittwoch im Bundeskabinett beschlossen werden soll.

Eines vorweg: Die Idee, dass (erwachsene) Kinder für ihre pflegebedürftigen Eltern eine finanzielle Mitverantwortung tragen, könnte mal separat diskutiert werden. Immerhin haben Kinder sich ihr Dasein auf der Welt nicht ausgesucht. Umgekehrt trifft Eltern als "Verursacher" mehr Verantwortung. Doch das nur am Rande. De facto gilt heute: Die Solidargemeinschaft kümmert sich um die einzelnen Mitglieder, deren Angehörige sind aber besonders in der Pflicht.

Deswegen haben viele Angst: Eltern davor, dass sie ihren Kindern im Alter zur Last fallen. Kinder davor, dass sie sich den Pflegeheimplatz ihrer Eltern nicht leisten können. Hier setzt die GroKo nun mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz an. Nur wer im Jahr mehr als 100.000 Euro brutto verdient, soll für die Pflege der Eltern aufkommen müssen. Das klingt gut und beruhigt sicherlich viele, die jetzt die Sorge vor nicht zu schulternden Eigenbeiträgen plagt.


Pflegekräfte-Einrichtungen suchen händeringend Personal


Doch es gibt dabei mehrere Probleme: Erstens zählen Personen mit einem derart hohen Einkommen zu den wohlhabendsten Bevölkerungsschichten. Ist es wirklich gerecht, dass die Allgemeinheit über Steuern und Versicherungsbeiträge die Pflege ihrer Eltern bezahlt? Natürlich sagt die GroKo, es gehe um die hart arbeitende Mittelschicht. Doch wer sich die tatsächlichen Verhältnisse in Deutschland ansieht – jüngst etwa die Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft, wonach man ab einem Nettoeinkommen von knapp 3.440 Euro im Monat als Single zu den zehn einkommensreichsten Prozent gehört -, der kann schnell zu dem Schluss kommen, dass die Einkommensgrenze deutlich unterhalb der 100.000er-Marke gesetzt werden hätte müssen.

"Keine ausreichende Datengrundlage"

Zweitens stellt sich die Frage, ob das Kostenproblem heute tatsächlich viele Kinder von Pflegebedürftigen trifft. Im Referentenentwurf zum neuen GroKo-Gesetz heißt es: "Es gibt keine ausreichende Datengrundlage über den Personenkreis der erwachsenen Kinder, die für die Pflegekosten ihrer Eltern aufkommen." Weiter heißt es: "Insgesamt werden nach hiesigen Schätzungen circa 275.000 Personen von der neuen 100.000-Euro-Grenze profitieren."

Kritiker wie die Deutsche Stiftung Patientenschutz sprechen von "reiner Symbolpolitik". Denn schon heute bekommen die Heimbewohner, die sich den Platz nicht leisten können, Hilfe vom Sozialamt. Das Amt könnte sich das Geld zwar theoretisch von den Kindern zurückholen – doch laut der Stiftung geschieht das kaum. "Schließlich tragen die Kommunen und letztlich die Steuerzahler den allergrößten Teil der 3,4 Milliarden Euro für die Hilfe zur Pflege. Für geschätzt nicht mal zwei Prozent dieser Ausgaben wurden die Angehörigen herangezogen. Das sind weniger als 70 Millionen Euro", heißt es in einer Pressemitteilung der Stiftung.

 

Kommunen sind schon heute chronisch klamm

Womit wir beim dritten Problem wären: Die Sozialhilfe für Pflegeheimbewohner kommt von den Kommunen, den Städten und Landkreisen. Dabei sind viele von ihnen chronisch klamm. Der Referentenentwurf rechnet für die kommenden Jahre mit Mehrkosten für Länder und Gemeinden in Höhe von etwa 300 Millionen Euro pro Jahr. Auf den Bund kommen demnach nur Mehrkosten von zehn bis 76 Millionen Euro jährlich zu. Mit anderen Worten: Die Bundesregierung verspricht, zahlen dürfen aber die anderen.

Wenn die GroKo es mit der Entlastung bei der Pflege wirklich ernst meint, dann dürfen davon nicht nur Angehörige (denen sei es herzlich gegönnt) profitieren, sondern vor allem müssen die finanzschwachen Kommunen unterstützt werden. Im Bundeshaushalt ist schließlich wesentlich mehr Spielraum als in den meisten städtischen Etats.

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