Zwischen Handeln und Beständigkeit

"Klima schützen, Wohlstand erhalten": Kommentar zu Söders Gratwanderung

19.7.2021, 13:15 Uhr
Ministerpräsident Markus Söder steht im Zuge des Klimawandels vor einer gewaltigen Herausforderung. 

© Felix Hörhager, dpa Ministerpräsident Markus Söder steht im Zuge des Klimawandels vor einer gewaltigen Herausforderung. 

Die Erwartung der Öffentlichkeit für die Klima-Regierungserklärung ist klar: Es muss sich etwas tun, aber es darf sich nichts ändern

Eine enorme Aktualität hat die Regierungserklärung des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) zum Klimaschutz am kommenden Mittwoch bekommen. Das sichert dem Regierungschef wieder einmal große Beachtung, macht seinen Auftritt aber auch zur Gratwanderung. Denn der Erwartungsdruck, vor dem Hintergrund der verschiedenen Umweltkatastrophen der letzten Wochen in Deutschland Nägel mit Köpfen zu machen, ist erheblich. Nur mit Ankündigungen und verbalen Baumumarmungen wird Söder nicht mehr durchkommen.

Die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit ist freilich kaum zu erfüllen. Während den einen das Tempo bei der Reduzierung des CO2-Ausstoßes viel zu langsam und das politische Handeln viel zu zögerlich ist, hoffen die anderen (teilweise vielleicht sogar dieselben), dass sie von Einschränkungen und Kostensteigerungen etwa für Kraftstoffe, Heizung und Urlaubsreisen möglichst verschont bleiben - frei nach der Formel "Es muss sich etwas tun, aber es darf sich nichts ändern." Dass die Unions-Formel "Klima schützen, Wohlstand (in vollem Umfang) erhalten" nicht voll aufgehen wird, dämmert den meisten. Geistig haben sich schon viele vom Wochenendtrip nach Barcelona und vom Weihnachtseinkauf in New York verabschiedet.



Beschleunigter Klimaschutz wird also ohne schmerzhafte Eingriffe nicht zu haben sein. Möglicherweise ist das der Grund, warum die Vorlage des neuen bayerischen Klimaschutzgesetzes bis nach der Bundestagswahl hinausgeschoben werden soll. Dass die derzeit geltende Erstfassung, die gerade mal ein halbes Jahr alt ist, nichts taugt, hat nach dem aufsehenerregenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts Söder postwendend eingeräumt. Auf Dauer unhaltbare Positionen zu verteidigen ist seine Sache nicht.



Söders Regierungserklärung am Mittwoch wird also eine Gratwanderung. Ohne etwas Konkretes in Sachen Klimaschutz kann er schwerlich ans Rednerpult des Landtags treten. Andererseits kann er auch nicht die grünen Hauptgegner als Verbots- und Steuererhöhungspartei und Schikanierer der Wirtschaft brandmarken und dann selbst Maßnahmen verkünden, die Bürger wie Unternehmen deutlich belasten. Die Landwirte sind sowieso schnell auf Hundertachzig, wenn ihnen neue Auflagen gemacht werden sollen.



Ein Ausweg besteht darin, dem Freistaat, also sich selbst, scharfe Umweltauflagen zu verordnen. Wie diese oft umgesetzt werden, kann man am ökologischen Landbau auf staatlichen Flächen oder der Quote von emissionsfreien Fahrzeugen im staatlichen Fuhrwerk ablesen: Höchst zögerlich. Und wenn man alles mit Geld regeln möchte: Unerschöpflich sind auch die bayerischen Kassen nicht.

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