Pandemie überrollt Politik

Kommentar: Bange Frage - Reicht Söders Beinahe-Lockdown?

19.11.2021, 16:57 Uhr
Verkündete harte Regeln für Bayern, die ab kommender Woche gelten sollen: Markus Söder.

© Sven Hoppe, dpa Verkündete harte Regeln für Bayern, die ab kommender Woche gelten sollen: Markus Söder.

"Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst": Das waren, Sie werden sich erinnern, die Kernsätze der Fernseh-Ansprache von Angela Merkel. Die Kanzlerin hielt sie am 18. März 2020, zu Beginn der ersten Welle der Pandemie. Es war, wie eine spätere Auszeichnung zeigte, die "Rede des Jahres".

Warum kein gemeinsamer Auftritt von Merkel und Scholz?

Warum eigentlich gibt es ein derart starkes, wirklich unübersehbares Signal der Politik nicht auch jetzt? Wenn Noch-Kanzlerin Angela Merkel und Bald-Kanzler Olaf Scholz zusammen vor die Mikrofone träten, um an die Solidarität und ans Verantwortungsbewusstsein der Bürger zu appellieren - das wäre eine eindringliche Botschaft.

Ungewöhnlich zumal, weil die Politik jenen Schulterschluss üben würde, der in einer Lage wie der aktuellen buchstäblich notwendig ist. Kein Mensch versteht doch das Partei-Gestreite, das im Bundestag und teils auch im Bundesrat am Ende dieser dramatischen Woche zu erleben war - wobei noch dramatischere Wochen programmiert sind.

De facto ist das ein Zusperr-Programm

DIe Pandemie überrollt die Politik. Daran kann der Quasi-Lockdown für weite Bereiche des öffentlichen Lebens, den Markus Söder nun verhängt hat, nur bedingt etwas ändern - und auch nur im Freistaat. Was auf Bayern nun zukommt, ist ein Zusperr-Programm - für Clubs und Discos ganz offen, für Kinos, Theater und andere Veranstalter verkappt. Wo nur 25 Prozent Besucher erlaubt sind, da dürften die allermeisten Termine abgesagt werden - weil sich der Aufwand nicht lohnt.

Nur: Von einem echten Lockdown wagt (noch?) niemand zu sprechen. Die deutsche Politik geht verdruckst mit einer Pandemie um, der nur mit Entschlossenheit zu begegnen ist: Eine Impfpflicht werde es nie geben, wurde im Herbst 2020 unisono verkündet, obwohl die Corona-Entwicklung offen war.

Allgemeine Impfpflicht: Wer setzt sie durch?

Nun sagt etwa Söder: „Ich glaube, dass wir am Ende um eine allgemeine Impfpflicht nicht herumkommen werden (....). Sonst wird das eine Endlosschleife mit diesem Mist-Corona.“ Warum startet er zusammen mit anderen, die längst ähnliches sagen, nicht einen Vorstoß für genau diesen Schritt? Bisher, übrigens, ist nicht mal die begrenzte Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen wirklich auf den Weg gebracht.

Man werde einander viel verzeihen müssen: Noch so ein denkwürdiger Satz vom Anfang der Pandemie, er stammt von Jens Spahn. Wann, wenn nicht jetzt, wären auch Worte des Bedauerns, der Bitte ums Verzeihen angebracht von Politikern, die auch 2021 wertvolle Monate verstreichen haben lassen, anstatt auf Mahnungen von Experten zu hören?

Banger Blick nach Österreich

Ja, auch Medien drängten im Sommer teils vehement auf Lockerungen, forderten einen "Freedom-Day". Viele haben da Corona verdrängt. Und zu viel Rücksicht genommen auf jene Minderheit der Impf-Gegner, die selbst keine Rücksicht nehmen. Nun kommt sehr vieles sehr spät - wohl auch die harten Schritte Söders. Ob sie reichen? Der Blick auf Österreich zeigt, was auch bei uns in ein paar Tagen Realität sein könnte.

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