Kommentar: Das Volk erträgt die Lockdown-Wahrheit

26.11.2020, 14:58 Uhr

Die Basis ist also fragil, auf der die Verantwortlichen operieren, und sie wird nicht stabiler. Nach acht Monaten mit Corona liegen bei vielen die Nerven blank; sie wollen nicht weiter vertröstet werden, sie wollen Klarheit. Umso erstaunlicher ist, wie sich die Politik derzeit durch die Krise hangelt. Sie drückt sich um Ansagen; sie sagt, sie fahren auf Sicht, als sei das Land vernebelt und offen, wie es weitergehen kann.

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Zwischen den Zeilen

Das ist es nicht mehr. Im Frühjahr mag das noch gestimmt haben, als das Virus eine unbekannte Größe war. Heute sind wir weiter, wissen wir mehr über den Erreger, darüber, wie er sich ausbreitet und wie wir ihn bekämpfen können. Vor allem aber wissen wir, wie ein Lockdown wirkt.

Wer Anfang November genau hingehört hatte, konnte schon ahnen, dass der Lockdown mit Ende dieses Monats kaum beendet sein dürfte. Wer jetzt wieder genau hingehört hat, rechnet nicht wirklich damit, dass es am 20. Dezember vorbei sein wird. Nur, warum sagen es die Verantwortlichen dann nicht, sondern überlassen es dem Volk, was es zwischen den Zeilen herauslesen will und kann?


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Politik muss Perspektiven bilden. Und sie muss schonungslos sein. Den Gastronomen etwa wäre mehr geholfen gewesen, wenn sie früh gewusst hätten, ob sie sich auf das vorweihnachtliche Geschäft vorbereiten dürfen. Statt dessen wissen sie noch immer nicht, was sie über die Feiertage erwartet. Das gilt für alle Branchen, die der Lockdown zum Stillstand gezwungen hat. Und die jetzt raten dürfen, ob und wann sich dass ändern wird. Die Politik, die es längst weiß, verrät es ihnen leider nicht.

Sie schürt im Gegenteil immer wieder Hoffnung, wo eigentlich keine ist, und stürzt die Betroffenen in ein Gefühls-Chaos, das ihr mehr schadet als nutzt. Absurditäten wie die Frage, ob der Schulbetrieb leer stehende Kinos, Theater und ähnliches mit einbeziehen könnte, tun ihr übriges. Wieso Schüler im Kino unterrichtet werden, Zuschauer aber keine Filme sehen sollen, verstehe, wer will.

Die Wahrheit ist: Uns stehen weiter harte Monate im Lockdown bevor. Es wird nicht das Weihnachtswunder geben, das dieses Virus aus unserem Leben fegt. Daran ändert auch der beschwörende Berliner Tonfall nichts. Doch dann sollten unsere Politiker uns als das behandeln, was wir sind: mündige und durchaus vernunftbegabte Wesen, die auch so behandelt werden wollen.

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