Kommentar: Der Nürnberger Mobilitätspakt wird viel Geduld fordern

29.12.2020, 14:09 Uhr
Der Anlauf für einen Mobilitäspakt kommt zur richtigen Zeit, wird in der Umsetzung allerdings viel Geduld fordern, glaubt NZ-Chefredakteur André Fischer.

© Michael Matejka, NNZ Der Anlauf für einen Mobilitäspakt kommt zur richtigen Zeit, wird in der Umsetzung allerdings viel Geduld fordern, glaubt NZ-Chefredakteur André Fischer.

Wenn die Stadt Nürnberg einen Mobilitätspakt für Fußgänger, Radfahrer, ÖPNV-Nutzer und Autofahrer schmieden will, dann wird eine Teilmenge der Vorschläge sicherlich von allen Parteien unterstützt. Angesichts der leeren Kassen wird es aber viele Zweifler an der Umsetzung geben. Sicherlich werden auch etliche Kritiker in dem Mobilitätspakt nicht die Chance sehen, für alle Verkehrsteilnehmer Verbesserungen zu erreichen. Für sie ist ein gemeinsamer Pakt mit klaren Vorgaben und Regeln eher ein Hindernis, ihre Partikularinteressen durchzusetzen.

Es werden zähe Verhandlungen um das Kleingedruckte zwischen den unterschiedlichen Parteien werden, denn bislang ist der Mobilitätspakt eher eine Ideensammlung von Wünschen, die in den vergangenen fünf Jahren von Radfahrern, Fußgängern und ÖPNV-Nutzern an die Politik herangetragen und von der die Verwaltung zusammengefasst wurden.

Das Problem ist, dass bei der Realisierung des Mobilitätspakts dem einen Verkehrsbereich etwas weggenommen werden muss, damit sich die Situation für den anderen verbessert. Wenn Parkplätze zu Parkflächen für Räder oder zu Grünflächen umgewandelt werden, dann steht diese Fläche Autofahrern eben nicht mehr zur Verfügung. Wenn Bürgersteige breiter werden sollen, dann müssen Radfahrer und Autofahrer auf Platz verzichten.

Vertrauen und Geduld sind gefragt

Mit dem Pakt müssen Ziele und Prioritäten klar formuliert werden. Wohin sich die Stadt verkehrlich entwickeln will und wer, wann, wo zurückstehen muss. Alles andere würde zu permanenten Kleinkriegen im Stadtrat führen. Wenn kein Konsens über die Ziele hergestellt werden kann, dann machte der Pakt wenig Sinn. Nur mit Vertrauen, Geduld und einer fairen Güterabwägung von allen Beteiligten kann das Vorhaben gelingen.

Der Anlauf für einen Mobilitäspakt in Nürnberg kommt zur richtigen Zeit, denn angesichts der Corona-Zäsur besteht die Möglichkeit, einmal gründlicher miteinander über das sich ändernde Mobilitätsverhalten zu diskutieren. Wo sind die Gemeinsamkeiten, wo nicht und wo wird ein Kompromiss benötigt? Da werden Schwarze, Rote und Grüne auf Maximalforderungen verzichten müssen.

Die Fahrradenthusiasten haben derzeit Oberwasser und diesen Schwung muss die Politik wie schon das Bürgerbegehren für das 365-Euro-Jahresticket ernst nehmen, sonst wird sie unglaubwürdig. Viele Menschen werden auch künftig mit dem Auto fahren wollen oder auf es angewiesen sein. Ein Pakt, der es darauf abgesehen hat, nur Autofahrer auszubremsen und der darauf setzt, dass alle Pendler aufs E-Rad umsteigen oder ÖPNV-Nutzer werden, wird scheitern. Es geht darum, das Miteinander und das verkehrliche Angebot für Fußgänger, Radfahrer und ÖPNV-Nutzer Schritt für Schritt zu verbessern, ohne den Autoverkehr zu verteufeln.

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