Kommentar: Die Affäre Nawratil ist auch eine Affäre Bartsch

27.9.2018, 19:16 Uhr
Helmut Nawratil, ehemaliger Chef der Bezirkskliniken, musste seinen Posten räumen.

© Bomhard Helmut Nawratil, ehemaliger Chef der Bezirkskliniken, musste seinen Posten räumen.

Schon seit Tagen steht in Helmut Nawratils Facebook-Auftritt ganz oben, auf der Karriereleiter gewissermaßen: "Hat bei Bezirkskliniken Mittelfranken gearbeitet." Ob versehentliche Eingabe oder bewusstes Eingeständnis — seit vorgestern Abend trifft der Eintrag zu. Der Klinikmanager, bewusst als harter Sanierer eingekauft, ist mit sofortiger Wirkung vorläufig freigestellt worden, das Dienstverhältnis soll zum nächstmöglichen Zeitpunkt beendet werden. Das hat exakt jener Verwaltungsrat aus Bezirkspolitikern beschlossen, der Nawratil bis vor gut einer Woche stets gegen Vorwürfe in Schutz genommen hat — zumindest die CSU-Mehrheit, unterstützt meist durch die Freiwählerin Karin Knorr.

Nun fühlen sich die Verwaltungsratsmitglieder, die den Vorstand des Kommunalunternehmens Bezirkskliniken mit über 3000 Beschäftigten kontrollieren sollten, hintergangen und falsch informiert. Eine erzwungene Kehrtwende, die Bezirkstagspräsident und Verwaltungsratsvorsitzenden Richard Bartsch, sein CSU-Fraktionschef Peter Daniel Forster, genannt "pdf", und seine Gefährten nur widerwillig vollzogen haben, weil die Fülle der Rechtsverstöße, Unregelmäßigkeiten und Durchstechereien zu erdrückend war – aufgedeckt durch kontinuierliche Medien-Berichterstattung auch unserer Redaktion und bestätigt durch den erschütternden Sonderprüfbericht, den eingeschaltete Rechtsanwaltskanzleien erarbeiteten.

Beharrliches Nachbohren

Vor allem aber ist die Aufklärung dem beharrlichen Nachbohren des Verwaltungsratsmitglieds Klaus Hiemeyer aus den Reihen der Bündnisgrünen zu danken. Der promovierte Diplom-Biologe und Sozialmediziner musste dafür in so mancher Sitzung Hohn und Spott über sich ergehen lassen und herablassende bis unverschämte Herabwürdigungen von Mitgliedern der Klinikenleitung und von Bezirkstagspräsident Bartsch persönlich ertragen. Hiemeyers Einsatz für die politische Sauberkeit hat sich gelohnt.

Der 69-jährige Klaus Hiemeyer kandidiert bei der Wahl am 14. Oktober nicht mehr für den Bezirkstag. Wer wieder kandidiert, muss sich vor der Öffentlichkeit rechtfertigen, weshalb er oder sie so lange, zu lange zu den seit 2016 immer lauter erhobenen Vorwürfen gegen Nawratil geschwiegen und dessen selbstherrlichem Treiben nach Gutsherrenart zugesehen hat. Die Bündnisgrünen, der Linke Uwe Schildbach und letztlich auch die SPD gingen deutlich auf Distanz zu den rüden Methoden des Sparkommissars in der Vorstandsetage.

Schön, aber geschönt

Die CSU dagegen hat ihrem Günstling stets die Stange gehalten. Der christsoziale Verwaltungsratschef Bartsch bescheinigte Nawratil im Juli vor einem Jahr eine blütenreine Weste. Heute beruft Bartsch sich darauf, es sei seine "persönliche Einschätzung" gewesen, basierend auf überzeugenden Stellungnahmen des Vorstands, und nimmt ansonsten stets den Verwaltungsrat als Ganzes in die Pflicht, den er doch immer mit allen Informationen versorgt habe. Erst jetzt kommt offenbar bei manchen Politikern die Erkenntnis, dass Sanierer im Gesundheitswesens stets nach derselben Methode verfahren: Personal einsparen, bei der Infrastruktur kürzen, den Rotstift bei den patientennahen Bereichen ansetzen, um eine schöne, aber geschönte Bilanz präsentieren zu können. Zulasten der Beschäftigten und der Patienten.

Bezirkstagspräsident Bartsch, als eifriger Facebook-Kommunikator mit Hang zu Bier- und Bratwurst-Festen bekannt, sieht sich mit der Forderung konfrontiert, sein Amt als Verwaltungsratsvorsitzender ruhen zu lassen, bis alle Details des Skandals geklärt sind. Es stünde ihm gut zu Gesicht, wenigstens dies zu tun – auch wenn es keinerlei rechtliche Verpflichtung dafür gibt. Denn die Affäre Nawratil ist auch eine Affäre des Bezirks Mittelfranken und eine Affäre Bartsch.

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