Kommentar: Durch einen Immunitätspass droht eine Zweiklassengesellschaft

30.4.2020, 18:08 Uhr
Es ist noch umstritten, ob jemand immun ist, der eine Covid-19-Erkrankung hinter sich hat.

© imago images/Bildwerk Es ist noch umstritten, ob jemand immun ist, der eine Covid-19-Erkrankung hinter sich hat.

Das wäre ja ein interessantes Szenario: Wer eine Covid-19-Erkrankung nachweislich überstanden hat, darf die Grenze passieren, seine Arbeit wieder aufnehmen und der andere nicht. So könnte es in Zukunft laufen. War bisher jeder froh, sich nicht mit dem Virus angesteckt zu haben, könnte das bald ins Gegenteil umschlagen.

Sowohl die Bundesregierung als auch die EU-Mitgliedsstaaten scheinen eine Art Corona-Pass in Betracht zu ziehen. Das bedeutet, wer das Virus hatte und wieder genesen ist, soll eine Art Gesundheitszertifikat bekommen - und erhält Sonderrechte. So nennt es niemand von offizieller Seite, aber genau darum geht es.

Im Sinne der Regierung soll ein Corona-Immunitätsausweis helfen, die Krise besser zu meistern. Damit Menschen in systemrelevante Berufe zurückkehren können oder Personen der sogenannten Risikogruppe sicherer geholfen werden kann.

Doch das Vorhaben hakt an einem entscheidendem Punkt: WHO und Experten sind sich noch nicht sicher, ob genesene Covid-19-Patienten auch tatsächlich gegen das Virus immun sind. Bei dem Gesetzentwurf handelt es sich laut Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) offenbar um eine vorsorgliche Regelung, die in Kraft treten soll, wenn die Immunität nachgewiesen wird.

Die Überlegung ist nachvollziehbar, aber es besteht die Gefahr einer Zweiklassengesellschaft: Der Immunitätspass könnte Unzufriedenheit und Unverständnis unter den Menschen schüren und ein Gefühl der Willkür auslösen. Schließlich hat sich niemand dafür entschieden, sich mit dem Virus anzustecken oder nicht.

Entgegen des bisherigen Kurses der Bundesregierung, auf ein Abstandsgebot zu setzen, könnte ein Corona-Pass den ein oder anderen Bürger gar auf die Idee bringen, sich bewusst mit Sars-CoV-2 anzustecken. Denn was sollte für "Immune" dagegen sprechen, wieder ins Kino oder den Biergarten zu gehen und Freunde zu treffen. Diese Gedanken drängen sich automatisch auf - auch wenn die ursprüngliche Idee des Corona-Passes nicht zu Lockerungen dieser Art führen soll.

Abgesehen davon handelt es sich um sensible Gesundheitsdaten, die nur mich und meinen Arzt etwas angehen. Wie die Debatten und Sorgen um Spahns geplante Tracing-App bereits zeigten, ist das Wie entscheidend. Sollte der Bund ein digitales Gesundheitszeugnis einführen, muss sichergestellt sein, dass die Daten nicht in falsche Hände geraten oder zu anderen Zwecken missbraucht werden können.


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