Wahlkampf

Kommentar: Durchsichtige Verteufelung der Grünen

14.6.2021, 15:51 Uhr
Diese Anzeigenkampagne der Wirtschaft sorgte für Aufsehen und Empörung.

© Repro: NN Diese Anzeigenkampagne der Wirtschaft sorgte für Aufsehen und Empörung.

Sagen wir es mal auf fränkisch: Allmächd, was wird bloß aus Deutschland, wenn Annalena Baerbock Kanzlerin ist... So ist es in manchen Gesprächsrunden zu hören, und es folgen drastische Untergangsszenarien. Dann werde Deutschland abgeschafft/abgewickelt/zum Verbots-Staat und so weiter.

Weil Baden-Württemberg vor dem Abgrund steht...

Man könnte dann zum Beispiel einwenden: Genau; diese planmäßige Zerstörung eines Landes ist ja auch dort zu beobachten, wo die Grünen den Regierungschef stellen – Baden-Württemberg ist bekanntlich auf einem Höllenritt, seitdem dort Winfried Kretschmann regiert.

Was selbstredend Quatsch ist: Natürlich arbeitet unser Nachbar-Ländle nach wie vor fleißig und erfolgreich, dort werden weiter Autos gebaut und verkauft, die Wirtschaftsdaten sind überdurchschnittlich.

Aiwangers Beschwörungen

Dennoch verfängt die Diabolisierung der Grünen bei vielen. Wenn zum Beispiel Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger es als ein Hauptziel seines Bundes-Wahlkampfs nennt, zu verhindern, dass die Grünen (mit)regieren, klingt das, als rede er vom Gottseibeiuns, vom Teufel, den man austreiben müsse: Bloß nicht die Grünen an die Macht lassen!

Ach, wäre das Grünen-Programm doch wirklich so radikal und umstürzlerisch, wie es ihre Gegner beschwören – das dürften da jene einwenden, denen die Öko-Partei längst zu weichgespült erscheint. Denn das gibt es ja auch: die Grünen-Schelte von Gruppen, die viel, viel mehr wollen beim Klimaschutz, und die der Partei Konkurrenz von links machen, weil sie ihnen zu verbürgerlicht vorkommt.

Ein entschärftes Programm

Aber was da am Wochenende beim Parteitag sehr zur Freude der Spitze Baerbock/Habeck beschlossen wurde, das ist ein sehr mittiges, entschärftes, koalitions-zugeschnittenes Regierungsprogramm, anschlussfähig sowohl für Schwarz-Grün, Grün-Schwarz (was zum Beispiel Markus Söder ausschließt) oder eine von den Grünen geführte Ampel mit SPD und FDP.

Diese Optionen hat die Partei, und das zeigt auch: Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die Grünen ab Herbst nicht mitregieren. Ohne sie wird das sogar schwer bis unmöglich.

Es geht um Posten, Pfründe und Macht

Genau das erklärt auch die Heftigkeit des Grünen-Bashings: Da bangen sehr viele sehr berechtigt um Macht, Posten und Pfründe. CDU und CSU wissen, dass sie zwar und auch mit Armin Laschet wieder bessere Chancen haben, stärkste Partei zu werden. Wenn die Grünen dann aber auf die Ampel setzen, müsste die Union trotzdem in die (vielleicht heilsame) Opposition.

Deshalb wird geholzt, selbst von sich sonst vornehm gebenden Wirtschaftsverbänden. Die Kampagne der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“, die Annalena Baerbock als Moses mit den zehn Verbotstafeln zeigt, ist in Sachen Schäbigkeit nicht sehr weit entfernt von Facebook-Fake-News, die der Kanzlerkandidatin zum Beispiel unterstellen, sie wolle Haustiere verbieten: Es sind Falschbehauptungen, die auf Ängste vieler Bürger vor Veränderungen setzen.

Kaesers Votum schockiert die Schwarz-Weiß-Maler

Dass etwa der frühere Siemens-Chef Kaeser sich eine grüne Kanzlerin durchaus vorstellen kann, das muss solche Schwarz-Weiß-Maler entsetzen.

Baerbock hat sich zuletzt nach Kräften selbst entzaubert, am Ende ist sie längst noch nicht. Das allzu plumpe, durchschaubare Wüten ihrer Gegner könnte sie gelassener aushalten.

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