Kommentar: Europa muss sich im Flüchtlingsdrama mehr engagieren

2.3.2020, 11:47 Uhr

Wiederholt sich 2015? Das ist die bange Frage, die sich viele stellen beim Blick auf die Bilder von der türkisch-griechischen Grenze oder von der Insel Lesbos. Eine neue Flüchtlingswelle Richtung Europa und Deutschland? Das wäre politisch höchst brisant; der Erfolg der AfD gründet sich zum Großteil auf den Kontrollverlust, der damals zu beobachten war.


Frontex erwartet Massenmigration nach Griechenland


Als Folge der Masseneinwanderung, die damals viele Bürger verunsicherte, schloss die EU, angeführt von Bundeskanzlerin Angela Merkel, 2016 den EU-Türkei-Pakt: Erdogan sicherte zu, ankommende Flüchtlinge vor allem aus Syrien nicht aus der Türkei Richtung Griechenland weiterreisen zu lassen. Im Gegenzug verpflichtete sich die Europäische Union, die Türkei mit Milliardenzahlungen zu unterstützen. Ein Deal, höchst und vielleicht zu pragmatisch: Wir zahlen, Du hältst uns die Probleme vom Leib - so kann man den Pakt zugespitzt durchaus beschreiben.

Lauter unerledigte Hausaufgaben

Und die EU kam darum herum, sich selbst Gedanken über eine sinnvolle Migrationspolitik zu machen: Wie schützt Europa seine Grenzen besser? Wie kann es dafür sorgen, dass sich weniger Menschen auf den Weg hierher machen - Stichwort "Bekämpfung von Fluchtursachen"? Wie kann eine einheitliche europäische Aufnahme-Regelung aussehen? Lauter unerledigte Hausaufgaben.

Denn Ankara erledigte ja die Drecksarbeit. Rund vier Millionen Flüchtlinge vor allem aus Syrien finden dort vorübergehend (oft aber für längere Zeit) Schutz. Die Türkei nahm also mit Abstand die meisten Migranten auf - ein Umstand, der im Land selbst durchaus ebenso auf Kritik und Unmut stößt. Auch darauf reagiert Erdogan nun mit seinem Öffnen der Tore. Ja, er erpresst damit die EU. Ja, er hat einen Teil der Fluchtwellen, die nun sein Land erreichen, selbst erzeugt durch die türkische Einmischung im syrischen Krieg. All das kann man Erdogan vorwerfen.

Dennoch machen wir Europäer es uns zu leicht, nun nur mit dem Finger auf den türkischen Präsidenten zu zeigen. Europa muss sich mehr engagieren - auch mit Geld, aber endlich auch mit mehr Politik. Seit Jahren wütet der Krieg in Syrien. Russland spielt da eine zynische Rolle, die Türkei auch. Und die EU? Sie spielt gar keine Rolle, weil sie keinen klaren Kurs hat. Das rächt sich nun.

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